Hier finden Sie Neuigkeiten aus dem Projekt selbst sowie darüber hinaus: Initiativen, Veranstaltungen und Veröffentlichungen rund um das Thema demografischer Wandel. Sie können außerdem durch die Publikationen der Projektbeteiligten stöbern. Mit unserer Linkliste steht eine Sammlung an Best-Practice-Beispielen, Landesinitiativen und Netzwerken zur Verfügung.
Aktuelles
Modellprojekt für lebenswerte Kommunen gestartet
08.09.21Der demografische Wandel ist eine der größten Herausforderungen der heutigen Zeit. Mit dem neuen Modellprojekt "Zukunftswerkstatt Kommunen – Attraktiv im Wandel" (ZWK) unterstützt das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) dazu bis 2024 ausgewählte Gemeinden, Städte und Landkreise bei der Entwicklung von individuellen Lösungen.
Ziel des Projekts ist es, Kommunen zu unterstützen, Strategien zu erstellen und umzusetzen, die allen Altersgruppen in ihren jeweiligen Lebenslagen gerecht werden. Damit Kommunen langfristig für alle Generationen attraktiv bleiben, müssen sie Veränderungen gestalten und moderne Konzepte entwickeln. Unterstützend steht den Kommunen die Geschäftsstelle der ZWK zur Seite. Diese ist im Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e. V. angesiedelt.
Bundesseniorenministerin Christine Lambrecht: „Wenn wir den demografischen Wandel als Chance sehen und Jung und Alt zusammendenken, werden wir lebenswerte Orte für alle schaffen. Um neue Wege zu entwickeln, haben wir gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden 40 sehr unterschiedliche Gemeinden, Städte und Landkreise ausgewählt. Zusammen wollen wir vielfältige, innovative Lösungen für altersfreundliche Kommunen finden, wo sowohl die ältere Bevölkerung als auch die junge Generation gerne leben. Neben der Beratung durch externe Fachleute setzen wir dabei auf eine starke Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern."
Ausführliche Informationen über die ZWK finden Sie in der Pressemitteilung des BMFSFJ vom 08.09.2021.
Diese Projektwebsite wird nicht weiter genutzt. Sie sind herzlich eingeladen, sich bei dem neuen Modellprojekt Zukunftswerkstatt Kommunen umzuschauen.
Ansprechpartnerinnen für die Presse/ ZWK-Geschäftsstelle:
Christina Haaf
+49 521 106 72 38 | haaf@zukunftswerkstatt-kommunen.de
Winnie Rüter
+49 521 106 73 46 | rueter@zukunftswerkstatt-kommunen.de
Christine Lambrecht informiert sich über Zukunftswerkstatt Kommunen in Düren
11.08.21Düren ist eine von bis zu 40 Kommunen, die das Bundesseniorenministerium bis 2024 dabei unterstützt, eine Demografiestrategie zu entwickeln und umzusetzen.
Bundesseniorenministerin Christine Lambrecht hat am 11. August den Kreis Düren besucht, um sich über das Modellprojekt "Zukunftswerkstatt Kommunen - attraktiv im Wandel" zu informieren. Düren ist eine von bis zu 40 Kommunen, die das Bundesseniorenministerium bis 2024 dabei unterstützt, eine Demografiestrategie zu entwickeln und umzusetzen. Das Ziel ist, die Lebensqualität aller Generationen zu sichern und die Folgen des demografischen Wandels zu gestalten.
Die Geschäftsstelle der Zukunftswerkstatt Kommunen ist im Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e. V. angesiedelt.
Jetzt für neues Modellprojekt „Zukunftswerkstatt Kommunen – Attraktiv im Wandel“ bewerben!
10.06.21Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) knüpft an die Erfolge des 2020 ausgelaufenen Projekts „Demografiewerkstatt Kommunen“ an und setzt ein neues Modellprojekt für Kommunen auf: die „Zukunftswerkstatt Kommunen – Attraktiv im Wandel“ (ZWK). Das Projekt begleitet und unterstützt Kommunen bis 2024 bei der Gestaltung des demografischen Wandels vor Ort durch externe Beratung.
Es sollen Demografiestrategien erstellt und umgesetzt werden, die den Themenbereich Integration mit abdecken und alle Altersgruppen in ihren jeweiligen Lebenslagen berücksichtigen, im Einzelnen umfasst das:
- Konzepte entwickeln, um die Folgen des demografischen Wandels in den Kommunen (Quartiere in Großstädten, Städte, Gemeinden, Landkreise) zu gestalten,
- konkrete Halte- bzw. Anziehungsfaktoren entwickeln,
- kommunale Identität stärken und
- die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund für ein intaktes gesellschaftliches Miteinander gewährleisten.
Konkrete Projekte sollen dabei angestoßen, bereits vorhandene Initiativen einbezogen und sinnvoll, effektiv und langfristig miteinander vernetzt werden. Die Kommunen erhalten bis zu 40.000 Euro Förderung pro Jahr pro Kommune für die Erstellung eines Kommunalprofils, externe Beratung und Öffentlichkeitsarbeit sowie erste Umsetzungsschritte. Hinzu kommen die Teilnahme an Online-Seminaren, Mentoring-Formate, fachliche Austauschtreffen mit der Möglichkeit der kollegialen Beratung und wissenschaftliche Evaluierung.
Bitte entnehmen Sie den Bewerbungsbogen und die Projektbekanntmachung, die zahlreiche inhaltliche Eckpunkte und Bewerbungshinweise enthält, den Anlagen. Bewerbungsschluss ist der 20. Juli 2021.
Fragen zum Projekt, Bewerbungsprozess usw. stellen Sie bitte an das im BMFSFJ zuständige Fachreferat „Demografischer Wandel, Gleichwertige Lebensverhältnisse“ unter zwk@bmfsfj.bund.de.
Schlüsselfaktoren zur Gestaltung des demografischen Wandels auf kommunaler Ebene
19.05.21Die wissenschaftliche Begleitung der DWK von der Forschungsgesellschaft für Gerontologie e.V./ Institut für Gerontologie an der TU Dortmund hat einen Abschlussbericht veröffentlicht, der die Ergebnisse des Projektes Demografiewerkstatt Kommunen umfassend darlegt.
Der Bericht evaluiert das Projekt und geht auf die die Schlüsselfaktoren "Austausch, Beratung und Beteiligung" ein.
Die Forschungsgesellschaft für Gerontologie e.V. / Institut für Gerontologie an der TU Dortmund übernahm die wissenschaftliche Begleitung des Projektes und erhob während der Laufzeit in regelmäßigen Abständen Informationen zu den Prozessen in den teilnehmenden Modellkommunen, sodass die Darlegung und Auswertung des Projektes auf einer fundierten empirischen Grundlage fußt. Besonders hervorzuheben ist dabei die Abschlussevaluation zum Projektende in Form von leitfadengestützten qualitativen Telefoninterviews mit in der Regel eine*r Vertreter*in je Kommune.
Die DWK kann aus Sicht der wissenschaftlichen Begleitung in vielerlei Hinsicht als sehr erfolgreich bewertet werden. Das gewählte Projektformat hat sich insgesamt als sehr förderlich erwiesen.
Erfolgreiche virtuelle Abschlussveranstaltung der DWK: Rückblick auf die vergangenen fünf Jahre
15.12.20Fünf Jahre Demografiewerkstatt Kommunen (DWK) liegen hinter den Projektbeteiligten: Schon seit langem war der Dezember für ein abschließendes Treffen und einen letzten Austausch der Kommunen untereinander geplant. Aufgrund der Covid-19-Pandemie wurde aus dem angedachten Termin ein virtuelles Treffen, das neben inhaltlichem Input Raum für Reflexion ermöglichte.
Das BMFSFJ als Fördermittelgeber moderierte in Person von Romy Deerberg (Referentin im Referat 316) durch das Programm der Abschlussveranstaltung. Eingeladen waren Vertreterinnen und Vertreter aller Projekt- und assoziierten Kommunen, so dass rund 40 Personen teilnahmen. Zum Programm gehörte neben einer Keynote ein Podiumsgespräch samt Diskussionsmöglichkeit.
Die Begrüßung seitens des BMFSFJ übernahm Andreas Kirner (Leiter des Referats 316 – Demografischer Wandel, Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse). In seiner Rede dankte er allen Beteiligten für die gute gemeinsame Arbeit und der Deutschen Fernsehlotterie / Stiftung Deutsches Hilfswerk für die Unterstützung. Zudem ließ er kurz die vergangenen fünf Jahre Revue passieren und hob besonders die Besuche vor Ort als sehr bereichernd hervor. Über den Projektzeitraum habe sich gezeigt, wie wichtig die Vernetzung unter anderem in Form der jährlich durchgeführten Austauschtreffen für die Kommunen war. Zudem war die DWK ein Vorreiterprojekt in Sachen Online-Seminare. Um den Erfolg der DWK noch mehr in die Breite zu tragen und weitere Kommunen zu unterstützen, selbst aktiv zu werden, kündigte Andreas Kirner das digitale “DWK-Tool” an, mit dessen Hilfe interessierte Kommunen die Prozessschritte der Demografiewerkstatt systematisch durchlaufen können und das ab Mitte 2021 zur Verfügung stehen wird. Dr. Christian Kipper von der Deutschen Fernsehlotterie/ Stiftung Deutsches Hilfswerk sprach ebenfalls ein Grußwort und bedankte sich bei allen Beteiligten für das große Engagement.
Auf die an die Teilnehmenden gestellte Frage, wofür die DWK für steht, kamen unter anderem folgende Antworten:
- „unbürokratisch, innovativ, flexible Projektarbeit“
- „strukturierte Hilfe zur Selbsthilfe“
- „Diversität, Wissen, Kompetenz“
Ein Highlight im Rahmen der Veranstaltung war die erstmalige Präsentation des neuen DWK-Films:
„Die Zukunft der Kommunen: demografisch, wirtschaftlich, regional“ war der Titel der Keynote von Dr. Reiner Klingholz (ehem. Leiter des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung). Nach einer statistischen Einordnung, wie unterschiedlich die Bevölkerungsstrukturen nach Alter, Geschlecht oder Bildungsstand in Kommunen sind, folgte aufgrund der demografischen Daten ein Realitätsscheck, wo wir in Deutschland derzeit stehen. Da seit 1972 jährlich mehr Menschen sterben als Kinder geboren werden, gibt es eine starke Alterung in Deutschland, die nur gering durch Zuwanderung abgefedert wird. Ausnahme seien Ballungsräume, dort steigen die Einwohnerzahlen, was aber wiederum dazu führt, dass strukturschwache, ländliche Regionen weiter schrumpfen. Laut Dr. Klingholz wird sich diese Entwicklung auch weiter fortsetzen, da junge Menschen sich eher auf die Städte konzentrierten. Zwar gibt es leichte Gegentendenzen, so ziehen z. B. vermehrt sogenannte „Kreativarbeitende“ von der Großstadt aufs Land und nutzen die Digitalisierung. Durch die jetzige Corona-Pandemie mit mehr Homeoffice würden neue Anreize geschaffen, aber es sei kein flächendeckender Trend. Dennoch sollten ländliche Kommunen sich auf ihre Stärken konzentrieren, was sie einem urbanen Leben entgegensetzen können. Ebenso sollte der Punkt „Klimawandel“ nicht aus den Augen gelassen werden, da sei eine dichte Besiedlung mit kurzen Wegen und gutem Nahverkehr ebenfalls ein Pluspunkt für Ballungsräume. Für Dr. Klingholz hat die Politik die Aufgabe, eine angemessene Versorgung für alle Regionen sicher zu stellen. Aber eine Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen sei nur bedingt umsetzbar, da die Regionen in Deutschland extrem verschieden seien. Der Vortrag regte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu einer Diskussion über die Perspektiven von ländlichen Räumen und Großstädten an.
Das Podiumsgespräch, moderiert von Prof. Dr. Martina Wegner von der Hochschule München, ging der Frage nach: „Den demografischen Wandel gestalten. Wie fördert man Veränderungsprozesse in der Kommune?“. Die Gäste waren: Birgit Zoerner (Dezernentin für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Sport und Freizeit der Stadt Dortmund), Dr. Markus Mempel (Referent Deutscher Landkreistag), Prof. Dr. Christoph Strünck (Direktor Forschungsgesellschaft für Gerontologie e.V.) und Dr. Klaus Zeitler (Sozialwissenschaftliches Institut für regionale Entwicklung). Die Expertinnen und Experten berichteten einerseits von konkreten Lessons-Learned aus dem DWK-Prozess und diskutieren andererseits grundlegende Fragen wie: „Wie lässt sich ein gemeinsames Bewusstsein bei den Menschen vor Ort schaffen, um der Frage nachzugehen: Was wollen wir aus unserer Kommune machen?“ , „Wie kann mehr über die Herausforderungen und Ziele gesprochen werden, um Prioritäten und einen Fokus zu setzen, mit dem sich alle identifizieren können?“, „Wo ist ein Umdenken auf operativer Ebene nötig, um zu erkennen, dass die Gestaltung des demografischen Wandels eine Gemeinschaftsaufgabe ist?“
Einig waren sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer darüber, dass bei Demografie nicht nur das Thema „Alter“ in den Blick genommen werden sollte. Die Kommunen sollten vor Ort die Chancen nutzen, die ein Einbezug aller Generationen bietet.
Die Verabschiedung übernahm Prof. Dr. Matthias von Schwanenflügel (Abteilungsleiter im BMFSFJ). Seine Hoffnungen in das Projekt wurden übertroffen, die DWK sei zu einer Erfolgsgeschichte geworden, denn sie gebe Hilfe zur Selbsthilfe, trage zur nachhaltigen Gestaltung des demografischen Wandels bei und werde auch über die Laufzeit hinaus Wirkung erzielen. Er stellte eine Weiterführung 2021 in Aussicht.
(PDF | 3 MB)
DWK-Publikationen
Modellprojekt „Demografiewerkstatt Kommunen“: Gemeinsam lässt sich erfolgreich die Zukunft gestalten
13.01.19 Reinhard Winter, Heribert KleeneJeder vierte Mensch in Deutschland ist über 60 Jahre alt, 2050 wird es sogar jeder dritte sein. Das bundesweite Projekt „Demografiewerkstatt Kommunen“ (DWK) hat es sich zum Ziel gesetzt, Landkreise, Städte und Gemeinden „demografiefest“ zu machen. Über fünf Jahre entwickeln teilnehmende Kommunen dazu spezielle Methoden, die schließlich auch in anderen Orten zum Einsatz kommen sollen. Auch der Landkreis Emsland ist mit der Gemeinde Vrees an dem Projekt beteiligt. Auf insgesamt fünf verschiedenen Handlungsfeldern entwickelt der Landkreis Werkzeuge, die die Selbstständigkeit und die Eigeninitiative der Bürger bis ins hohe Alter fördern sollen.
Mobil im Emsland
Ob Einkauf, Arztbesuch oder Treffen mit Freunden: In einem ländlichen Kreis wie dem Emsland ist es in der Regel zwingend erforderlich, mobil zu sein. Bisher nutzten die Emsländer dafür in erster Linie ihr eigenes Fahrzeug oder, soweit vorhanden, den öffentlichen Nahverkehr. In einer zunehmend älter werdenden Gesellschaft stellt sich allerdings die Frage, wie man die Mobilität älterer Personen sicherstellt, die nicht oder nicht mehr selbst fahren können. Die Digitalisierung bietet hier eine große Chance, sich auf ganz neue Weise zu vernetzen, sei es über Vereine als „Nachbarschaftshilfe“ oder über eine spezielle „Anpacker-App“ für freiwillige Helfer, sodass die Dorfbewohner selbst die Möglichkeit haben, Mitfahrgelegenheiten zu organisieren.
Gerade mithilfe von ehrenamtlichem Engagement lassen sich innovative Ideen umsetzen, damit die Älteren so lange wie möglich im Dorf unterwegs sein können. In einzelnen Dörfern oder Gebieten des Emslandes ist dies bereits der Fall. In Emsbüren etwa ist ein Bürgerbus im Einsatz, der von Ehrenamtlichen gefahren wird. An drei Tagen in der Woche fährt der barrierefreie Bus auf einer vorgegebenen Route zu festen Zeiten und schließt so die Versorgungslücken des öffentlichen Nahverkehrs. Das Projekt „Geeste mobil“ ist eine Initiative des Malteser Hilfsdienstes in Kooperation mit der kommunalen Freiwilligenagentur in Geeste. Diese stellen ein seniorengerechtes Fahrzeug mit ehrenamtlichen Fahrern und Begleitern älteren oder kranken Menschen zur Verfügung, die keine Hilfe von Angehörigen erhalten. Auf diesem Weg können sie selbst in Gesellschaft Einkäufe erledigen.
Eine Maßnahme, die die Verkehrsgesellschaften einbezieht, ist die Ausweitung des „Ruf-Mich-Busses“. Dieser fährt, sofern er mindestens eine Stunde vor Abfahrt telefonisch bestellt wurde. Weitere Möglichkeiten sind Firmenbusse, die Mitarbeiter aus derselben Gegend zur Arbeitsstelle bringen, oder Carsharing. In Planung sind auch Mitfahrbänke. An diesen Stellen sollen Personen Platz nehmen können, die eine Mitfahrgelegenheit suchen.
Tatkräftig im Emsland
Bisher ist das Emsland von Landflucht weitgehend verschont geblieben. Damit das so bleibt, ist es notwendig, die Arbeitslandschaft attraktiv zu halten und sie an den demografischen Wandel anzupassen. Familienfreundliche Strukturen, flexible Arbeitsplatzmodelle und ein unternehmerfreundliches Umfeld sind nur einige Aspekte, die dazu beitragen. Eine regionale Auszeichnung kann Ansporn für Firmen sein, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Vorbild ist die niedersächsische Demografieagentur, die „Demografiefeste Betriebe“ zertifiziert. Diese Unternehmen bieten zum Beispiel eine gute Vereinbarkeit von Familie bzw. Pflege und Beruf, eine altersgerechte Arbeitsplatzgestaltung, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen oder ein betriebliches Gesundheitsmanagement.
Angesichts des Fachkräftemangels im Emsland ist es wichtig, qualifizierte Arbeitskräfte zu finden und an die Region zu binden. Die Frauenbeschäftigungsquote im Emsland bspw. liegt unter dem Bundesdurchschnitt. Zielgerichtete Kampagnen und Projekte können helfen, Frauen und Unternehmen zusammenzubringen. Standortmarketing ist ein wesentlicher Faktor, um Fachkräfte von außerhalb auf das Emsland aufmerksam zu machen. Daneben sensibilisiert die „Zukunftsachse“ der Wachstumsregion Ems-Achse schon heute Jugendliche und junge Erwachsene für die vielfältigen Beschäftigungsmöglichkeiten im Emsland und hilft dabei, Plätze für Ausbildungen, Praktika oder ein duales Studium zu finden.
Gemeinschaft im Emsland
Im Emsland „kennt man sich“, Nachbarschaftshilfe ist vielerorts gang und gäbe. Damit sich diese regionale Besonderheit möglichst lange positiv auswirkt, ist es erforderlich, die Gemeinschaften zu stärken und alle Bevölkerungsteile einzubeziehen. Kinder- und Jugendbeteiligungen wie die Jugendbörse „Mitmischer“ sind eine Möglichkeit, auch die Jüngeren an der Entwicklung des Dorfes teilhaben zu lassen. Zugezogene müssen ebenfalls in die Dorfgemeinschaft eingebunden werden. Auch die Zusammenarbeit von Haupt- und Ehrenamtlichen als effektives Tandem in dem Projekt „Lebendige Gemeinschaften“ kann das Miteinander stärken und beleben.
Am wichtigsten ist es, dass die Bewohner imGespräch bleiben, damit sie gemeinsam die Zukunft ihres Wohnorts gestalten können. Verschiedene Kommunikationsprozesse unterstützen die Dorfbevölkerung dabei. Beim Modellprojekt „Dorfgespräch“ der Katholischen Landvolkshochschule Oesede etwa diskutierten Bewohner gemeinsam mit Experten über ihr Dorf und vereinbarten Entwicklungsstrategien. Der „Tatort Dorfmitte“ bringt junge und ältere Bewohner eines Ortes zusammen, die in generationsübergreifenden Projekten daran arbeiten, die Lebensqualität des Dorfes zu erhöhen. Das jüngste Projekt ist der „EmslandDorfPlan“, bei dem Bewohner schreiben und malen, wie ihr Dorf heute ist und wie es in Zukunft aussehen soll.
Mit dem „Dorfdialog“ hat der Landkreis Emsland zudem im Rahmen der DWK ein Werkzeug entwickelt, das inzwischen auch anderen Kommunen zur Verfügung steht. Dabei handelt es sich um einen moderierten Prozess, der aus einem Dorfcheck-Workshop und einer Impulsveranstaltung besteht. Der Workshop bringt einen Querschnitt der Bevölkerung zusammen, der von außen auf das Dorf blickt. In Gruppen beschreiben die Teilnehmer zunächst das Dorf und diskutieren darüber, welche Kompetenzen vorhanden sind oder wo man miteinander ins Gespräch kommt – oder nicht. In einem zweiten Schritt entwerfen sie eine Zukunftsvision von ihrem Dorf und legen fest, wie sie sich entwickeln wollen und worum sie sich kümmern müssen.
Die Impuls-Veranstaltung hat das Ziel, möglichst viele Einwohner in Form einer Bürgerversammlung zusammenzubringen und sie über die Ergebnisse des Dorfcheck-Workshops zu informieren. Dort haben sie auch die Möglichkeit „Leuchttürme“, besondere Stärken des Dorfes, zu bewerten. Idealerweise aktiviert die Veranstaltung Einwohner, die an der Entwicklung des Dorfes mitarbeiten möchten. Als erste Kommune hat Lünne den Dorfdialog durchgeführt. Dort arbeiteten die Bürger Leuchttürme heraus wie das Vereinsleben, das Ehrenamt und das touristische Potenzial und entwickelten eine Vision von ihrem Dorf im Jahr 2030. Eine Initiative, die sich gelohnt hat: Als starke Gemeinschaft, die sich aktiv mit ihrer Zukunft auseinandersetzt, erzielte Lünne beim Kreiswettbewerb von „Unser Dorf hat Zukunft“ den ersten Platz.
Wohnen im Emsland
Das Einfamilienhaus ist nach wie vor der klassische Wohnraum im Emsland, doch es ist davon auszugehen, dass angesichts der alternden Bevölkerung die Nachfrage nach Singlewohnungen steigen wird. Schon jetzt sind es überwiegend Menschen ab 50 Jahren, die in Einpersonenhaushalten leben. Kommunen haben die Aufgabe, sich an die verändernde Gesellschaftsstruktur anzupassen und die Daseinsvorsorge sicherzustellen, damit die Attraktivität des Ortes erhalten bleibt. Der Landkreis Emsland hat hierzu bspw. ein Programm zur Förderung von Einrichtungen der wohnortbezogenen Nahversorgung beschlossen.
Wohnungsbaugenossenschaften etwa ermöglichen es Kommunen, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Eine Möglichkeit, Leerstand zu vermeiden und gleichzeitig junge Familien anzuziehen, ist das Programm „Jung kauft Alt“, bei dem Paare oder Familien von der Gemeinde einen Zuschuss erhalten, wenn sie eine Altimmobilie erwerben. Der Landkreis Emsland unterstützt derartige Programme auf der Ortsebene.
Aber auch als Haus- oder Wohnungseigentümer kann man einiges tun, um möglichst lange in den eigenen vier Wänden leben zu können. Der Landkreis Emsland hat mit der Wolfsburg AG das Werkzeug „Barrierefreies Wohnen“ entwickelt – als Leitfaden zur Wohnungsgestaltung für Menschen mit kognitiven und Mobilitätseinschränkungen. Dazu gehören unter anderem Ebenerdigkeit, ausreichend große Bewegungsflächen sowie Abstell- und Ladebereiche für zum Beispiel elektrisch betriebene Rollstühle. Haushaltsgeräte, Türklinken oder Fenstergriffe sollen gut erreichbar, Arbeitsplatte, Spüle und Herd unterfahrbar und im Idealfall höhenverstellbar sein.
Altersgerechte Assistenzsysteme für ein selbstbestimmtes Leben (AAL) unterstützen die barrierefreie Gestaltung und geben Sicherheit. Beispielhaft sind in diesem Zusammenhang Notrufsysteme und Einbruchschutz oder auch die automatische Herdabschaltung, ein Verbrühschutz sowie die mobile Bedienung von Fenstern und Rollläden.
Alt werden im Emsland
Noch werden die Menschen im Emsland überwiegend im häuslichen Umfeld alt. Doch auch wenn die Begegnung und der Austausch zwischen den Generationen vielfach Alltag ist, bedarf es neuer Ansätze, damit ältere Menschen dauerhaft Teil der Dorfgemeinschaft bleiben. Im Gegensatz zu früher leben heute seltener mehrere Generationen unter einem Dach. Um die Nachbarschaftshilfe zu stärken, empfehlen sich Initiativen, bei denen Bürger Bürgern helfen, inklusive einer koordinierenden Stelle. Auch virtuelle Vernetzungsplattformen können dazu beitragen, dass Hilfesuchende und Menschen, die sich engagieren möchten, zusammenfinden.
Damit die Menschen vor Ort alt werden können, muss die medizinische und pflegerische Versorgung gesichert sein. Dazu braucht es innovative Konzepte gerade für den ländlichen Raum. Sie wird es nur dort geben, wo es gelingt, die Bevölkerung für das Thema „Altwerden“ zu sensibilisieren. Mit seinem Projekt „Altwerden in Vrees“ zeigt der Ort beispielhaft, dass und wie ältere Menschen in ihrem Dorf bleiben können, wenn Kommune und Gesellschaft zusammenarbeiten.
„Wir für euch – Alt werden in Vrees“ – mehr als ein regionales „Leuchtturmprojekt“
In der emsländischen Gemeinde Vrees mit ihren ca. 1.800 Einwohnern hat sich die Dorfgemeinschaft aufgemacht, durch verschiedene Maßnahmen kontinuierlich eine Verbesserung des Dorflebens zu erzielen und für eine alternde Bevölkerung lokal eine gute Perspektive in der kleinen Gemeinde sicherzustellen. Langfristiges Ziel ist es, dass keiner das Dorf verlassen muss und viele Dorfbewohner möglichst in den „eigenen vier Wänden“ verbleiben können.
Bereits vor ca. zehn Jahren wurden gemeinsam in einer lokalen Arbeitsgruppe unter dem Motto „Wir für euch – Alt werden in Vrees“ konkrete Lösungsstrategien für eine zukunftsfähige Dorfgemeinschaft entwickelt. Anstatt auf ein gewinnorientiertes Modell eines Investors zu setzen, entschied sich die Gemeinde für ein kostenneutrales Konzept mit einer ehrenamtlichen Einbindung vieler Einwohner und professioneller Unterstützung von Fachkräften. Mit Hilfe einer speziellen Softwarelösung soll das ehrenamtliche Engagement optimal koordiniert werden. Ferner entstand mitten im Ortskern ein neues Gebäude als Multifunktionshaus für Jung und Alt. Die Dorfbewohner können hier gemeinsam mit ihren Freunden und Bekannten Zeit verbringen. Gleichzeitig sieht das Nutzungskonzept vor, das soziale Miteinander zu fördern und Raum für Gemeinschaft zu bieten. Zur Entlastung der pflegenden Angehörigen wird in diesem Haus die Tagesbetreuung der zu Pflegenden abgewickelt. Diese Versorgungs- und Dienstleistungszentrale ist mit baulich-investiven Mitteln im Rahmen des Programms „Soziales Wohnen – Zuhause im Alter“ vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert worden. Auch vom Amt für regionale Landentwicklung und durch private Spenden wurde der Bau gefördert.
Aktuell sind ergänzend zum Multifunktionshaus in zentraler Lage Wohnungen sowie Schlafmöglichkeiten für ältere Menschen, die gerne mit anderen zusammenleben möchten, in der Umsetzung. Mit dieser innovativen Idee kann jeder Vreeser ein Leben lang inmitten des Ortskerns Teil der Dorfgemeinschaft bleiben. Hier wird eine Förderung im Rahmen des Programms „Wohnen und Pflege im Alter“ des Niedersächsischen Landesamtes für Soziales, Jugend und Familie genutzt. Die in den Wohnungen installierte digitale Technik wurde ebenfalls vom Amt für regionale Landentwicklung gefördert. Im März können diese Wohnungen eingeweiht werden.
Als Erfolgsschlüssel auf diesem Zukunftsweg sollen folgende Aspekte berücksichtigt werden:
- Einbindung in Aktivitäten der Dorfgemeinschaft
- Verbesserung der Betreuungsmöglichkeiten in den eigenen vier Wänden oder in gemeinschaftlich organisierten Wohnmodellen,
- Entlastung und Verbesserung der Zusammenarbeit der Angehörigen, Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen,
- Verbesserung der Kommunikationsmittel für Kontakte über die Gemeindegrenzen hinweg, z. B. durch Erschließung vorhandener Technologien durch altersgerechte Adaption (z. B. adaptive „smarte“ Kommunikationsinstrumente zur Teilhabe),
- Entwicklung und Integration assistiver Technologien im häuslichen (stationär) und hausnahen Umfeld (mobil, z. B. im Garten, körpernah) zur Aufrechterhaltung bzw. Steigerung der Versorgungssicherheit (Gesundheit, Pflege, Alltag) und Entwicklung assistiver Systeme für eine integrative, situationsorientierte Bereitstellung von Betreuung, Pflege und medizinischer Versorgung auf Seiten der Leistungserbringer;
- ein vierköpfiges Team des Sportvereins arbeitet zurzeit mit dem Kreissportbund gemeinsam an einem Sport- bzw. Bewegungskonzept, um in der neuen Turnhalle mit Gymnastikraum ein Angebot auf die Beine zu stellen, welches die Themen Integration und Inklusion grundlegend berücksichtigt. So werdenalle länger fit bleiben, die Pflegezeiten verkürzt und so die Kosten für Pflege und Krankenkassen gesenkt. Diese Arbeit wird von der Lokalen Allianz für Menschen mit Demenz und vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert.
Der soziale Zusammenhalt, die Nachbarschaftshilfe sowie ein generationsübergreifender Dialog und die Stärkung und Förderung sozialer Netzwerke gehören heute schon zu festen Bestandteilen der lokalen Aktivitäten. Hier sind die Akteure vor Ort unermüdlich dabei, Netzwerkstrukturen weiterzuentwickeln, auch durch Unterstützung innovativer technischer Lösungen bspw. für ein effektives „Ehrenamtsmatching“. Dieser Projektansatz ist zugleich Bestandteil der bisherigen und aktuellen deutsch-niederländischen INTERREG-Projektplanung mit dem Titel „Vitales Dorf“. Ebenso passt die Teilnahme der Gemeinde Vrees gemeinsam mit dem Landkreis Emsland beim bundesweiten Modellprojekt „Demografiewerkstatt Kommunen“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ins Gesamtbild.
Gute Gründe für das Engagement vor Ort
Die zukunftsorientierten Aktivitäten in Vrees reagieren auf wesentliche demografische Herausforderungen: Die Herausforderung „Wohnen bedarfsgerecht, bezahlbar und in integrierten Lagen zu fördern – gut versorgt und mittendrin dabei zu sein“, wird durch die Gesamtplanung in zentraler Lage in der Gemeinde Vrees aufgegriffen. Für die im Ort verbleibenden Senioren soll der Alltag durch kurze Wege möglichst optimiert werden.
Das selbstbestimmte Wohnen im Alter zu ermöglichen und wohnortnahe soziale Dienstleistungen auszubauen, ist ganz offensichtlich ein grundlegender Gedanke der mittlerweile mehrjährigen Planungen in Vrees. Bspw. ist die Gemeinde seit September 2013 in das Förderprogramm „Lokale Allianzen für Menschen mit Demenz“ (Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben) aufgenommen worden. Auf die gewonnenen Erkenntnisse in Bezug auf die Bedarfslagen von Betroffenen im Bereich Demenz kann zurückgegriffen werden, sodass sich diese Allianz nahtlos in die Gesamtaktivitäten einfügt.
Die demografische Herausforderung wird in Vrees angenommen, indem strukturierte und moderierte Kommunikationsprozesse vor Ort über das zukünftige Wohnen initiiert, gefördert und verstetigt werden, unterstützt durch das bereits jahrelange Engagement der speziellen Arbeitsgruppe „Wir für Euch – Alt werden in Vrees“ und die kontinuierliche Projektarbeit.
Das Projekt reagiert in vorbildlicher Weise auf die Herausforderung, bürgerschaftliche Ideen und Projekte aufzugreifen und zu unterstützen. Offensichtlich zeichnet sich die Dorfgemeinschaft in der Gemeinde Vrees durch einen starken Zusammenhalt und ein reges Vereinsleben aus. Als entscheidend angesehen wird ein hohes ehrenamtliches Engagement, das sich durch alle Generationen zieht. Die Gemeinde hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder gemeinsam mit den Vereinen und den Bürgern für innovative und damit neue Projektansätze interessiert und vieles auch umgesetzt. Ein Indiz für die gelungene Bürgerbeteiligung und die Kreativität der Gemeinde gibt die enorme Erfolgsbilanz beim Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“. Vielleicht ist das Erfolgsrezept ganz einfach: Im Mittelpunkt steht stets der Mensch. Damit dieser Prozess zukünftig die bisherige Dynamik behält oder sogar noch verstärkt, soll der vorhandene Arbeitskreis zeitnah in einen Verein überführt werden. Dieser Verein wird sich dann noch intensiver mit den oben genannten Themen beschäftigen.
Fazit: „Gemeinsam lässt sich erfolgreich die Zukunft gestalten“
Im Ergebnis ist festzustellen, dass sich die demografischen Herausforderungen weder beim Landkreis Emsland noch bei der Gemeinde Vrees isoliert betrachten lassen. Auch wenn oftmals individuelle lokale Lösungen und Projekte erforderlich sind, so haben sich die gute Netzwerkarbeit und das projektorientierte Vorgehen im Emsland absolut bewährt.
Ein Beitrag von: Reinhard Winter, Landrat, und Heribert Kleene, Bürgermeister der Gemeinde Vrees, Landkreis Emsland
Zuerst erschienen in: Der Landkreis 3/2018
Der Landkreis Düren im Wandel
03.01.19 Elke Ricken-MelchertDer demografische Wandel hat unterschiedliche Facetten und verändert unsere Gesellschaft nachhaltig: Bevölkerungswachstum und -rückgang kennzeichnen ihn ebenso wie die Alterung der Bevölkerung mit tiefgreifenden Veränderungen der Altersstruktur vor Ort. Besonders spür- und erlebbar ist dieser Prozess in den Städten, Landkreisen und Gemeinden. Dabei sind diese unter Umständen ganz unterschiedlich stark von den Auswirkungen des demografischen Wandels betroffen. Trotz der unterschiedlichen Ausgangssituationen verbindet viele Gebiete in Deutschland eine zentrale Frage: Wie kann es gelingen, die eigene Kommune demografiefest zu machen? Was der Begriff demografiefest im Einzelfall bedeutet, hängt wiederum von den jeweiligen Gegebenheiten vor Ort ab und erfordert eine individuell abgestimmte Gesamtstrategie für die verschiedenen Gebietskörperschaften.
Trotz eines Geburtenanstiegs im letzten Jahr und einer Bevölkerungszunahme ist eine gravierende Veränderung der Altersstruktur im Kreis Düren zu verzeichnen: Während Vorausberechnungen zufolge der Anteil jüngerer Menschen bis zum Jahr 2025 abnehmen wird, wird der Anteil älterer Menschen in einem Alter von 65 bis unter 80 Jahren sowie hochaltriger Menschen in einem Alter von 80 Jahren und älter enorm ansteigen. Bei dem Anteil der Hochaltrigen wird eine Zunahme von mehr als 30% erwartet.
Aus diesem Grund wurden innerhalb der Kreisverwaltung verschiedene Maßnahmen in die Wege geleitet, um den demografischen Wandel im Kreis Düren aktiv zu gestalten. Im Jahr 2015 wurde die Aufgabenstruktur innerhalb der Kreisverwaltung optimiert und das Thema Demografie als eigenständiger Komplex im Amt für Demografie, Kinder, Jugend, Familie und Senioren gebündelt. Zeitgleich wurde eine Demografiebeauftragte des Kreises Düren benannt. Bereits zuvor hatte sich in der Kreisverwaltung Düren das „Ämterübergreifende Kompetenzteam Demografie“ gebildet, um eine querschnittliche Betrachtung des Themas zu gewährleisten.
Das Projekt „Demografiewerkstatt Kommunen“
Um den Kreis Düren demografiefest zu machen, nimmt dieser als eine von bundesweit acht Gebietskörperschaften im Zeitraum 2016 bis 2020 an dem Projekt „Demografiewerkstatt Kommunen“ (DWK) des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) teil. Gefördert wird das Projekt von dem BMFSFJ und von der Deutschen Fernsehlotterie. Es wird unterstützt vom Deutschen Landkreistag. Darüber hinaus wird es begleitet und umgesetzt von der Geschäftsstelle DWK beim Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e.V. Die systematische Beschreibung und Evaluation der Prozesse übernimmt die Forschungsgesellschaft für Gerontologie e.V./Institut für Gerontologie an der TU Dortmund.
Zielsetzungen
Zur Entwicklung einer Gesamtstrategie werden in der DWK in der fünfjährigen Beratungs- und Unterstützungszeit übergeordnete Ziele verfolgt:
- Erarbeitung von Handlungsansätzen und eines methodischen „Werkzeugkoffers“, der bestehende sowie neue demografierelevante Angebote, Dienstleistungen und Maßnahmen („Werkzeuge“) beinhaltet, die auch auf andere Kommunen übertragbar sind,
- Anstoßen konkreter Projekte in den kreisangehörigen Kommunen sowie das Einbeziehen vorhandener Initiativen und
- Begleitung und Etablierung politischer und administrativer Prozesse.
Am Ende des Projekts sollen sich Strukturen und Prozesse nachhaltig gefestigt haben und auf weitere Kommunen – mit ähnlichen Herausforderungen – übertragbar sein. Im Einzelnen soll erreicht werden, dass sich die Selbstständigkeit und Eigeninitiative der Menschen bis ins hohe Alter verbessert, sich die Partizipation und Potenzialentfaltung der Jugend verstärkt, sich die partnerschaftliche Vereinbarkeit von Familie und Beruf steigert, Diversity als selbstverständliche Querschnittsaufgabe verstanden wird und die gewonnenen Erkenntnisse in die Demografiestrategie der Bundesregierung eingespeist werden.
Prozess der Strategieentwicklung
Die Gegebenheiten vor Ort sind im Kreis Düren sehr unterschiedlich. Mit der Erstellung des Kommunalprofils wurde deshalb eine umfassende Bestandsaufnahme für das gesamte Kreisgebiet verfasst. Diese wurde in Zusammenarbeit mit dem „Ämterübergreifenden Kompetenzteam Demografie“ sowie mithilfe der Forschungsgesellschaft für Gerontologie e.V./Institut für Gerontologie an der Technischen Universität Dortmund erstellt. Das Kommunalprofil des Kreises Düren enthält Informationen zur Bevölkerungs-, Versorgungs- und Lebenssituation sowie zu bestehenden demografierelevanten Prozessen und Initiativen im Kreis.
Anhand dieser Basis wurden fünf Handlungsfelder identifiziert, die im Landkreis Düren als erstes bearbeitet werden:
- Fachkräfte fördern, halten & gewinnen,
- Bildung ermöglichen & stärken,
- Gesellschaftliche Teilhabe bewirken & festigen,
- Mobilität und (Nah-)Versorgung gewährleisten,
- Leben und Wohnen gestalten.
Im Rahmen der Auftaktveranstaltung „Zukunftswerkstatt Kreis Düren“ zum DWK-Projekt im Oktober 2017 beschäftigten sich rund 130 Teilnehmer aus Politik und Verwaltung sowie lokale Akteure aus dem Kreisgebiet mit diesen zentralen Handlungsfeldern. Gemeinsames Ziel der Veranstaltung war es, konkret über die Gestaltung der Infrastruktur in den kreisangehörigen Kommunen nachzudenken, um den Kreis Düren langfristig attraktiv zu gestalten. Zu den Handlungsfeldern wurden Zukunftsbilder erarbeitet, die aufzeigen, wie sich der Kreis Düren bestmöglich im entsprechenden Handlungsfeld entwickeln kann. Darüber hinaus wurden bestehende Projekte und Maßnahmen – hier Werkzeuge – erfasst sowie neue zur erfolgreichen Umsetzung der Zukunftsbilder vorgeschlagen. Die ermittelten Werkzeuge werden in einem Werkzeugkatalog veröffentlicht. Der Katalog wird der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und bietet allen, die an der Umsetzung konkreter Projekte interessiert sind, wertvolle Anregungen und Informationen und gibt zudem Hilfestellung bei der Realisierung bestehender oder neuer Werkzeuge im eigenen Umfeld oder Zuständigkeitsbereich.
Vor dem Hintergrund der Überalterung der Bevölkerung im Kreis sowie für die gelingende Entwicklung einer Gesamtstrategie ist es bedeutender denn je, Kinder und Jugendliche zu beteiligen und sie als gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Zukunft zur Gestaltung ihrer Umwelt anzuregen. Aus diesem Grund wurden junge Menschen im Landkreis Düren im Rahmen des Pilotprojektes „Schule meets Demografie“ mit Schülern des Gymnasiums der Gemeinde Kreuzau von Beginn an und gezielt in die Erarbeitung einer ganzheitlichen Demografiestrategie für den Kreis Düren einbezogen. Ihre Ergebnisse stellten einige Vertreter im Rahmen der Zukunftswerkstatt Kreis Düren vor.
Der Werkstattplan
Ziel des Vorgehens ist die Erstellung eines Werkstattplans gemeinsam mit den kreisangehörigen Gemeinden. Dabei handelt es sich einerseits um ein Instrument zur langfristigen, strategischen Ausrichtung. Andererseits dient der Werkstattplan auch zur detaillierten Planung einzelner Maßnahmen in kleinen Schritten. Somit entsteht ein sehr gutes Instrument zur Entwicklung einer ganzheitlichen Strategie auf dem Weg zu einem demografiefesten Kreis. Die im Werkzeugplan beschriebenen Einzelmaßnahmen, werden dem entsprechenden Handlungsfeld zugeordnet. Hier werden auch ein grober Zeitplan zur Umsetzung der Projekte in Jahresschritten, konkrete Ansprechpersonen, der jeweilige Umsetzungsort sowie Beteiligte aufgezeigt. Zur Abbildung einer Gesamtstrategie wird der Werkstattplan zusätzlich durch laufende demografierelevante Maßnahmen ergänzt.
Generationen im Blick
Neben der Einbindung von jungen Menschen zur erfolgreichen Entwicklung einer Gesamtstrategie ist es genauso bedeutsam, die Bedürfnisse der älteren Menschen im Kreis Düren – als stärkste wachsende Bevölkerungsgruppe – wahrzunehmen und gezielte Schritte in die Wege zu leiten. Aus diesem Grund bietet der Kreis Düren seit vielen Jahren verschiedenste Maßnahmen im Bereich der Seniorenarbeit an.
Die Bevölkerungsentwicklung der älteren Menschen im Kreis Düren war bereits im Jahr 2006 Anlass, die Koordinationsstelle „Pro Seniorinnen und Senioren im Kreis Düren“ einzurichten und die Seniorenarbeit zu einer dauerhaften Pflichtaufgabe zu erklären. Organisatorisch zugeordnet ist sie dem Amt für Demografie, Kinder, Jugend, Familie und Senioren. Die mit zwei sozialpädagogischen Fachkräften besetzte Koordinationsstelle bietet Beratung, Fortbildung und Hilfe rund um das Thema Alter an und unterstützt bei der Initiierung von niederschwelligen Angeboten und neuen Projekten der Seniorenarbeit. Ziele der Seniorenarbeit, die im Kreis Düren beständig verfolgt werden, lauten:
- Verbesserung der Lebenssituation älterer Menschen im Kreis Düren,
- Vernetzung der bestehenden Dienste und Einrichtungen der Seniorenarbeit,
- Entwicklung von Handlungsempfehlungen an die Politik im Kreis Düren.
Bereits im Jahr 2009 entwickelte die Koordinationsstelle in Kooperation mit verschiedensten Trägern der Senioreneinrichtungen, Wohlfahrtsverbänden und Kirchen sowie den in der Interessengemeinschaft Seniorenarbeit im Raum Düren-Jülich (ISaR) vernetzten Institutionen und älteren Bürgern des Kreises Düren ein Leitbild zur Seniorenpolitik im Kreis Düren. Im Sommer 2010 wurde dieses Leitbild in Form einer Broschüre vom Kreistag verabschiedet. Im Rahmen der jährlichen Jahresplanung der ISaR werden die im Leitbild formulierten Ziele stetig überprüft und weiterentwickelt.
Vernetzung der bestehenden Dienste und Einrichtungen der Seniorenarbeit
Das besondere Markenzeichen der Koordinationsstelle ist die Vernetzung von Diensten und Einrichtungen in der seit 2002 bestehenden Interessengemeinschaft ISaR. Die Unterstützung und Koordination der ISaR ist ein Schwerpunkt in der Arbeit der Koordinationsstelle. Hier wurde eine Organisationsstruktur geschaffen, der sich mittlerweile mehr als 300 Institutionen und ca. 1.700 Einzelpersonen angeschlossen haben und die ein bedeutsames Kontakt- und Informationsforum für diese darstellt.
Sämtliche Belange der ISaR werden in den monatlichen Treffen der ISaR-Kerngruppe – dem Steuerungsinstrument der ISaR – besprochen, entschieden und geplant. In der Kerngruppe ist jeweils mindestens ein Sprecher der Themengruppen und die wichtigsten Kooperationspartner vertreten.
Zweimal im Jahr findet eine öffentliche Vollversammlung als Fachtagung, das ISaR-Plenum, statt. Zu diesen Veranstaltungen, deren Programme von seniorenrelevanten Themen geprägt sind, erscheinen inzwischen regelmäßig ca. 140 Senioren sowie haupt- und ehrenamtliche Multiplikatoren der Seniorenarbeit. Ein wichtiger Tagesordnungspunkt ist dabei auch immer die Vorstellung von drei ISaR-Mitgliedereinrichtungen zur besseren Transparenz unter den Anbietern.
15 Jahre ISaR – „Wir können was bewegen”
Am 27. Februar 2018 fand außerdem das 27. ISaR-Plenum als Jubiläumsveranstaltung unter dem Motto „15 Jahre ISaR – Wir können was bewegen” statt. Referent des gleichnamigen Impulsreferates war Franz Müntefering, Vorsitzender der BAGSO e.V. (Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen). Auch vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass die Senioren von heute aktiv und engagiert sind und sich verschiedenste Angebote und Betätigungsfelder wünschen, in die sie sich mit ihren Erfahrungen und Ressourcen einbringen können.
Ein Beitrag von: Elke Ricken-Melchert, Leiterin des Amtes für Demografie, Kinder, Jugend, Familie und Senioren, Kreis Düren
Zuerst erschienen in: Der Landkreis 3/2018
Bedingungen kommunaler Demografiepolitik und die Rolle der wissenschaftlichen Begleitung
15.10.18 Anne-Katrin Teichmüller und Verena Reuter, wissenschaftliche Begleitung DWKIm ersten Beitrag dieser Serie zur Demografiewerkstatt Kommunen (DWK) wurden das Projekt und seine Rahmendaten vorgestellt (Ausgabe 2018-01), während in der zweiten Folge beschrieben wurde, welchen Ansatz Kommunen verfolgen können, wenn sie das Thema Demografischer Wandel systematisch angehen (Ausgabe 2018-04). In der dritten Ausgabe erfolgte eine Auseinandersetzung mit sogenannten „Werkzeugen“, welche im Projektverlauf entwickelt werden (Ausgabe 2018-07). In diesem Beitrag geht es um die Einordnung und die Rahmenbedingungen von kommunaler Demografiepolitik sowie die Rolle der wissenschaftlichen Begleitung im Projekt DWK.
Kommunale Demografiepolitik
Kommunale Demografiepolitik richtet sich entsprechend des verfassungsrechtlichen Auftrages der Kommunen an den Belangen der örtlichen Gemeinschaft aus. Da der demografische Wandel nahezu alle Handlungsfelder betrifft, sind zahlreiche Politikbereiche für die demografiepolitische Arbeit von Bedeutung (Bogumil et al. 2013). Dies reicht von Wohnungsbau-, Stadtentwicklungs-, Verkehrs- und Infrastrukturpolitik, die Finanz-, Steuer-, Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik über Bildungs-, Kultur-, Sport- und Freizeitpolitik bis hin zu verschiedenen Facetten der Sozialpolitik wie Familienpolitik sowie die soziale Infrastrukturversorgung und lokale Altenpolitik und -arbeit. Aus diesem Grund kann erfolgreiche Demografiepolitik nur als eine Querschnittsaufgabe definiert und wahrgenommen werden. Obwohl sie derzeit eine freiwillige Aufgabe der Kommunalpolitik ist, ergibt sich aus dem verfassungsgemäßen Auftrag zur Gewährleistung der örtlichen Daseinsvorsorge ein Gestaltungsauftrag der Kommunen, der Demografiepolitik zu einer „freiwilligen“ Pflichtaufgabe werden lässt (Kühnel et al. 2016).
Angesichts der vielfältigen Herausforderungen, vor denen Kommunen im demografischen Wandel stehen, kann es bei deren Bewältigung keine Standardantworten geben. Vielmehr müssen individuelle Lösungen gefunden werden, die auf die ganz konkreten Bedingungen vor Ort zugeschnitten sind (Deutscher Städtetag 2006). Allerdings lassen sich beim Vorgehen, von der Analyse der Situation bis hin zur Entwicklung und Durchführung von Zielen und Maßnahmen, Schritte ableiten, die für eine erfolgreiche Demografiepolitik unabdingbar sind.
Das Projekt DWK hat sich zur Aufgabe gemacht, ein solches Vorgehen exemplarisch zu erproben und in ganz unterschiedlichen deutschen Städten und Kreisen konkrete Instrumente zu entwickeln, welche auch anderen Kommunen Orientierung und Hilfestellungen geben können, die demografischen Veränderungen zu gestalten. Bei der Bearbeitung dieses Prozesses und eines entsprechenden Instrumentariums kommt der wissenschaftlichen Begleitung im Projekt eine wichtige Bedeutung zu. Auf deren Rolle und Aufgaben soll im Folgenden genauer eingegangen werden.
Die wissenschaftliche Begleitung in der „Demografiewerkstatt Kommunen“
Die wissenschaftliche Begleitung der DWK wird vom Institut für Gerontologie an der TU Dortmund übernommen. Es ist eine seit 1990 bestehende unabhängige Forschungseinrichtung in Trägerschaft der Forschungsgesellschaft für Gerontologie e.V., die Fragen der demografischen Entwicklung, speziell der alternden Bevölkerung, nachgeht.
Die wissenschaftliche Begleitung fungiert im Projekt DWK als neutraler Beobachter und ist nicht unmittelbar an der Umsetzung der Maßnahmen in den Kommunen beteiligt. Sie erfasst Rahmenbedingungen, Prozesse und initiierte Maßnahmen, beschreibt diese fortlaufend und koppelt die Ergebnisse in den Umsetzungsprozess zurück. Das übergeordnete Ziel der Evaluation durch die wissenschaftliche Begleitung besteht darin, neue und weiterführende Erkenntnisse darüber zu gewinnen, welche Strukturen und Prozesse geeignet sind, um eine kommunale Demografiestrategie unter Berücksichtigung unterschiedlicher Rahmenbedingungen nachhaltig zu entwickeln und zu implementieren.
Erfahrungen der wissenschaftlichen Begleitung im Projekt DWK
Um die Auswirkungen des demografischen Wandels zu verdeutlichen und damit ein möglicherweise noch nicht vorhandenes Problembewusstsein zu schaffen, ist es hilfreich, wenn die zur Verfügung stehenden Daten innerhalb der Verwaltung entsprechend aufbereitet werden (BMI, DStGB 2012, Bogumil et al. 2013). Gleichzeitig erleichtert eine solche Zusammenstellung die ressortübergreifende Zusammenarbeit.
Dafür erfolgte im Projekt DWK zunächst eine umfassende Bestandsaufnahme in den beteiligten Kommunen zu den folgenden Handlungsfeldern: Demografische Entwicklung (Bevölkerungsentwicklung, Bevölkerungsprognose, Zu- und Abwanderungen); Bildung; Arbeit, Wirtschaft und Sozialleistungen; Wohnen; Gesundheit und Pflege; Begegnung, Beratung, Selbsthilfe; Partizipation und Engagement; Kultur, Freizeit, Naherholung; Mobilität, Verkehrsanbindung und -infrastruktur; Migration und Integration. Darüber hinaus wurde der Status der kommunalen Demografiepolitik (u.a. Organisationsstrukturen, bisherige Initiativen und Ergebnisse) erfasst sowie eine Stärken-Schwächen-Analyse durchgeführt. Die wissenschaftliche Begleitung hat dafür umfangreiche Daten und Materialien der Kommunen zu diesen Handlungsfeldern aufbereitet und leitfadengestützte Interviews mit jeweils fünf Vertreter/innen der Kommunen unterschiedlicher Funktions- und Verantwortungsbereiche geführt. Die Ergebnisse wurden in Kommunalprofilen zusammengefasst, welche als Download auf der Projektwebsite abrufbar sind.
Im Projekt hat sich gezeigt, dass ein solcher Datenbericht, welcher die wichtigsten Indikatoren aus den verschiedenen Handlungsfeldern zusammenträgt, die Grundlage dafür darstellt, ressortübergreifend eine Strategie zur Gestaltung des demografischen Wandels zu entwickeln (z.B. in einem Werkstattplan, vgl. Ausgabe 2018-01). Als herausfordernd stellen sich dabei vor allem die unterschiedlichen Erhebungsarten in den Ämtern sowie die knappen zeitlichen Ressourcen zur Datenbeschaffung und Zusammenstellung dar. Im Projekt DWK werden Werkzeuge (vgl. Ausgabe 2018-07) entwickelt, die Kommunen bei der Erstellung eines Kommunalprofils unterstützen können.
Auf Basis eines integrierten Datenberichts dauerhaft ressortübergreifend zusammenzuarbeiten, ist in vielen Kommunen nach wie vor eine große Herausforderung. Die Strukturen in den Verwaltungen sind über lange Zeit gewachsen und arbeitsorganisatorisch schwer zu überwinden. Die konkreten Zuständigkeiten für die Koordination demografiepolitischer Aktivitäten müssen jedoch so geregelt werden, dass sie ressortübergreifendes Arbeiten mit kurzen Entscheidungswegen dauerhaft zulassen und ein enger Kontakt zur Kommunalpolitik möglich ist (Franke und Strauss 2010). Bogumil et al. (2013) unterscheiden sechs Formen ressortübergreifender Koordination, mit deren Hilfe das Thema demografischer Wandel innerhalb der Kommunalverwaltung institutionalisiert werden kann: Integrierte Verwaltungseinheit, Querschnittsamt, Stabsstelle, federführende Verwaltungseinheit, Koordinationsgremien und Projektorganisation (ebd.). Welche Organisationsform sich in einer Kommune eignet, muss entsprechend der Rahmenbedingungen entschieden werden. In den DWK-Kommunen finden sich ganz unterschiedliche Lösungen, die von Demografiebeauftragten bis zu fächerübergreifenden Lenkungsgruppen reichen. Diese werden im Projektverlauf betrachtet und Vor- und Nachteile der jeweiligen Formen analysiert.
Ein wichtiger Erfolgsfaktor, sowohl für den Aufgriff des Themas Demografie als auch für eine ressortübergreifende Zusammenarbeit, ist die Unterstützung der politischen Spitze. Durch das Bekenntnis des Verwaltungschefs, das Thema in der Kommune aufgreifen zu wollen, bekommt es einen hohen Stellenwert. Mit seiner Hilfe wird die Erarbeitung und Umsetzung von Zielen und Maßnahmen sehr viel verbindlicher (Thamm und Walther 2006, Deutscher Städtetag 2013).
Neben der Zusammenarbeit innerhalb der Verwaltung ist der Einbezug der Bürgerschaft ebenso wichtig wie voraussetzungsvoll. Im Projekt DWK wurden mit Bürgerbeteiligungsformaten bisher gute Erfahrungen gemacht. Zum Teil haben sich aus Zukunftswerkstätten neue Bürgervereine gegründet, die ihre Kommune bzw. ihr Quartier mit eigenen Initiativen positiv gestalten. Wichtig ist dabei, so hat sich gezeigt, die Rückbindung an die Kommune. Eine aktive Zivilgesellschaft benötigt eine Infrastruktur, mit der Beteiligung sichergestellt und Engagement gefördert werden kann (u.a. Klie 2013, Berlin-Institut 2011). Gleichzeitig sollten Bürger/innen nur dann einbezogen werden, wenn sie tatsächlich gehört und mit ihrer Hilfe etwas verändert werden kann. Frustrierende Erfahrungen führen schnell zur Einstellung von Beteiligung und/ oder bürgerschaftlichem Engagement (Bogumil et al. 2013, Berlin-Institut 2011).
Insgesamt konnten im Projekt Demografiewerkstatt Kommunen bereits zahlreiche Prozesse angestoßen und neue Ansätze erprobt werden. Der regelmäßige Austausch der beteiligten Kommunen untereinander wird von den Akteuren als inspirierend und motivierend für die eigene Arbeit empfunden. Auch die auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnittenen Beratungsleistungen unterstützen dabei, die Mitarbeiter/innen vor Ort zu qualifizieren, neue Initiativen anzuregen und das Engagement zu verstetigen (vgl. Ausgabe 2018-01).
Aktuell werden in den Kommunen individuell konzipierte Halbzeitbilanzen durchgeführt, die dazu dienen, den bisherigen Prozessverlauf zu reflektieren (Was wurde erreicht? Was sind Erfolge? Wo waren Hürden?) und das weitere Vorgehen im Hinblick auf die Ziele der Kommune und ihren weiteren Beratungsbedarf zu konkretisieren. Dabei liegt der Fokus auch auf der Verstetigung der im Rahmen der DWK initiierten Prozesse.
Literatur
Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung (Hg.) (2011): Die demografische Lage der Nation. Was freiwilliges Engagement für die Region leistet. Online verfügbar unter http://www.berlin-institut.org/fileadmin/user_upload/Die_demografische_Lage_2011/D-Engagement_online.pdf, zuletzt geprüft am 02.08.2018.
Bogumil, J.; Gerber, S.; Schickentanz, M. (2013): Handlungsmöglichkeiten kommunaler Demografiepolitik. In: M. Hüther und G. Naegele (Hg.): Demografiepolitik. Herausforderungen und Handlungsfelder. 1. Auflage. Wiesbaden: Springer VS. S. 259–281.
Bundesministerium des Innern (BMI), Deutscher Städte- und Gemeindebund (DStGB) (Hg.) (2012): Demografie-Online-Konferenz „Kommunen im Dialog“. Herausforderung Demografischer Wandel: Welche Ideen, Lösungen und Erfahrungen haben wir, um Lebensqualität vor Ort zu gestalten? Online verfügbar unter http://www.demografie-online-konferenz.de/docs_demo/Projektbericht.pdf, zuletzt geprüft am 02.08.2018.
Deutscher Städtetag (Hg.) (2006): Demografischer Wandel. Herausforderungen, Chancen und Handlungsmöglichkeiten für die Städte. Unter Mitarbeit von Arbeitsgruppe „Demografischer Wandel“ der Fachkommission „Stadtentwicklungsplanung“ mit Unterstützung des Arbeitskreises „Stadtforschung, Statistik und Wahlen“. Online verfügbar unter Demografischer Wandel:Herausforderungen, Chancen und Handlungsmöglichkeiten für die Städte, zuletzt geprüft am 02.08.2018.
Deutscher Städtetag (Hg.) (2013): Integrierte Stadtentwicklungsplanung und Stadtentwicklungsmanagement – Strategien und Instrumente nachhaltiger Stadtentwicklung. Erstellt von einer Arbeitsgruppe der Fachkommission „Stadtentwicklungsplanung“ (Positionspapier). Online verfügbar unter Integrierte Stadtentwicklungsplanung und Stadtentwicklungsmanagement – Strategien und Instrumente nachhaltiger Stadtentwicklung, zuletzt geprüft am 02.08.2018.
Franke, T.; Strauss, W.-C. (2010): Integrierte Stadtentwicklung in deutschen Kommunen – eine Standortbestimmung. In: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) und Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) (Hg.): Integrierte Stadtentwicklung – politische Forderung und Praxis. Bonn (Informationen zur Raumordnung, 4). S. 253–262. Online verfügbar unter http://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/Veroeffentlichungen/IzR/2010/4/izr4.html?nn=422250, zuletzt geprüft am 02.08.2018.
Klie, T. (2013): Zivilgesellschaft und Aktivierung. In: M. Hüther und G. Naegele (Hg.): Demografiepolitik. Herausforderungen und Handlungsfelder. 1. Auflage. Wiesbaden: Springer VS. S. 344–362.
Kühnel, M., G. Naegele, und C. Strünck (2016): Kommunale Demografiepolitik und Demografiekonzepte aus sozial-gerontologischer Perspektive. In: G. Naegele, E. Olbermann und A. Kuhlmann (Hg.): Teilhabe im Alter gestalten. Aktuelle Themen der Sozialen Gerontologie. Wiesbaden: Springer VS. S. 373–388.
Thamm, A.; Walther, C. (2006): Strategien lokaler Intergrationspolitik. In: Bertelsmann Stiftung (Hg.): Wegweiser Demographischer Wandel 2020. Analysen und Handlungskonzepte für Städte und Gemeinden. 1. Auflage. Gütersloh: Verlag Bertelsmann Stiftung. S. 155–159.
Der demografische Wandel eröffnet die Chance integrierter kommunaler Lösungen
10.10.18 Prof. Dr. Martina Wegner, strategische Projektbetreuung der DWKDer demografische Wandel hat weder in den Kommunen noch in der Bevölkerung einen guten Klang. Die Vision von aussterbenden Dörfern, in denen nur noch alte Menschen leben, verheißt für die Kommunalpolitiker keine Gestaltungsmöglichkeit und für die dort lebenden Bürger eine sinkende Lebensqualität. Während man aber bei einem anderen großen gesellschaftlichen Trend, der Digitalisierung, sofort die Vorteile vermittelt bekommt und die Nachteile eher als nachrangig gesehen werden, ist es beim demografischen Wandel umgekehrt. Dass auch er Chancen bietet, ist oft erst auf den zweiten Blick erkennbar und wird von den Kommunen weniger wahrgenommen, weil man mit dem Thema in erster Linie die Versorgung von Senioren verknüpft.
Die Botschaft, dass wir weniger, älter und bunter werden, ist die wohl am häufigsten zitierte, wenn man sich mit dem demografischen Wandel beschäftigt. Aus dieser – sicher zutreffenden Aussage – müssen die Gemeinden und Landkreise nun Handlungsstrategien ableiten und es zeigt sich, dass dies ein durchaus komplexes Unterfangen ist. Zum einen muss jeder Landkreis für sich verstehen, inwieweit er vom demografischen Wandel tatsächlich betroffen ist. „Weniger, älter, bunter“ trifft nun mal nicht für alle Regionen in Deutschland in gleichem Maße zu und hat auch nicht die gleichen Konsequenzen: Weniger Menschen bedeuten nicht automatisch weniger Mobilität, und eine höhere Anzahl älterer Menschen erfordert nicht automatisch mehr stationäre Angebote. Hier sind differenzierte Lösungen erforderlich, die gut geplant und aufeinander abgestimmt werden müssen.
Nimmt man den demografischen Wandel als Thema ernst, merkt man, dass es um eine große Bandbreite an Themen geht, für die eine Strategie erforderlich ist. Für die Kommunalverwaltung ist der demografische Wandel damit ein dickes Brett, das auch an versäulten Strukturen rüttelt und Kooperationen erfordert, die oft noch nicht eingeübt wurden. In Bayern versucht das „Seniorenpolitische Gesamtkonzept“ die wichtigsten Themen zu formulieren, allerdings zeigt dieser sehr standardisierte Prozess auf, wie schwer es ist, Zahlen, die erforderlichen Maßnahmen und die dafür zuständigen Ämter zusammenzubringen. Um in Bayern zu bleiben: Es gibt einen Vitalitätscheck, ein Online-Instrument, das hilft, die eigene demografische Situation zu erheben und entsprechende Maßnahmen zu formulieren. Solche Hilfen und Anregungen sind durchaus wichtig, allerdings müssen sie auch mit den entsprechenden personellen Ressourcen hinterlegt sein: Ohne einen versierten Demografiebeauftragten, der das Thema insgesamt im Blick hat, am besten noch in Ergänzung von guten Beratern, ist eine systematische Bearbeitung schwierig. In seiner Schlüsselfunktion braucht der Demografiebeauftragte Zugang zu unterschiedlichen Fachbereichen oder Ämtern und muss über die Autorität verfügen, innerhalb der Kommunalverwaltung, aber auch mit anderen gesellschaftlichen Akteuren ein Netzwerk zu schaffen, in dem alle an einem Strang ziehen. Das ist eine große Herausforderung bei einem Querschnittsthema wie der demografischen Entwicklung.
Die Zusammenarbeit mit Bürgern ist von großer Bedeutung
Bei dem Thema des demografischen Wandels geht es oft um Bereiche, in denen Strukturen abgebaut oder ein Mangel verwaltet wird. Das ist den Bürgern zum einen schwer zu vermitteln, wenn man sie nicht an den entsprechenden Diskussionen beteiligt, aber die Kommunalverwaltung bringt sich auch um eine wichtige Ressource, wenn sie nicht auf die Mitarbeit der Bürger setzt. Zum einen sind Bürger gefragt, wenn es darum geht, sich für andere im Rahmen des klassischen Ehrenamts einzusetzen. Der Freiwilligensurvey weist eine hohe und weiter steigende Engagementbereitschaft der Bürger aus1, aber diese kennt auch Voraussetzungen und Grenzen.
Auch wenn in einigen Bereichen, die gerade auch den demografischen Wandel betreffen, so zum Beispiel in der Pflege oder generell bei der Betreuung älterer Menschen, häufig auf freiwillig Tätige gesetzt wird, sollte der Beitrag der Engagierten hier nicht überschätzt werden. Da bisher nur 2,2% aller Freiwilligen in Bereich Gesundheit engagiert sind2 und unter den Bereich Gesundheit auch die Pflege fällt, handelt es sich hier um einen Engagementbereich, der nicht die gleiche Zugkraft hat wie der Sport oder andere soziale Bereiche wie Schule oder Kindergarten – und das wird sich in Zukunft auch nicht dramatisch ändern und zahlenmäßig den Mangel an pflegenden Personen nicht auffangen können. Darüber hinaus gilt: Freiwillig Engagierte sollten generell nicht selbstverständlich als Ersatz für professionelle Tätigkeiten eingesetzt werden, nur weil aus finanziellen Gründen Lücken entstehen. Man braucht gute Strategien (einschließlich einer entsprechenden Anerkennungskultur) und zum Teil auch Vermittlungsstrukturen (wie Freiwilligenagenturen o.ä.), um für die Freiwilligen ein Engagement zu finden, das sie motiviert und ihnen in ihrer Entwicklung und ihren Interessen entspricht, da dies auch Garant dafür ist, dass sie sich längerfristig engagieren. Wer mit Aufgaben, sei es in der Pflege oder im Vereinsvorstand, überfordert ist, wird das Ehrenamt schnell aufgeben und wohl auch kein neues aufnehmen.
Der Trend, Engagierte zu motivieren, indem man ihnen ein Honorar zahlt, scheint zu steigen. Auch wenn die Zahlen keine klare Sprache sprechen und der Freiwilligensurvey 2014 ausweist, dass lediglich 10 % der Freiwilligen für ihre Tätigkeiten entlohnt werden, bricht sich die Monetarisierung ehrenamtlicher Tätigkeiten in vielen Feldern Bahn. Gerade dort, wo Verbindlichkeit im Ehrenamt gefordert ist, versucht man die Freiwilligen mit einem Stundenlohn zu locken – und dies passiert nicht zuletzt in der Pflege. Es zeigt sich jedoch, dass das sowohl dem Engagement als auch der Erwerbsarbeit abträglich ist3.
Man verspricht sich viel von den „fitten Alten“, die umfangreich Aufgaben in der Kommune übernehmen können. Sicher sind viele dazu auch bereit – sie leisten hervorragende Arbeit in einer großen Bandbreite von Bereichen und unterstützen damit den Zusammenhalt der Gesellschaft. Allerdings ist die Strategie, in erster Linie die gut ausgebildeten und gut situierten älteren Menschen für ein Ehrenamt werben zu wollen, mit dem Risiko verbunden, andere Zielgruppen zu verlieren. Wichtig ist, dass die gesamte Breite der Bevölkerung vertreten ist, und nicht von einer bestimmten Zielgruppe mit bestimmten – oft nicht für alle Bürger zutreffenden – Vorstellungen monopolisiert wird. Die Institutionalisierung von Seniorenbeiräten führt zu einer Interessenvertretung, bei der Sorge getragen werden muss, dass alle Milieus und Lebenslagen zur Geltung kommen. Wenn all dies berücksichtigt wird, ist die Übernahme vonAufgaben durch freiwillig Engagierte ein großer Gewinn für die Kommunen.
Aber der demografische Wandel birgt neben dem Engagement noch weitere lohnende Möglichkeiten der Kooperation mit den Bürgern. Sie können als Ratgeber und Informationsträger fungieren und damit einen wichtigen Beitrag für die Planung leisten. So ist es zum Beispiel nicht zwingend notwendig, dass Ehrenamtliche einen Bürgerbus fahren, um die Mobilität zu gewährleisten, wohl aber können sie über ihre Netzwerke in Erfahrung bringen, welche Strecken und Frequenzen erforderlich sind, um die Nutzung des Busses zu erhöhen. Sie können also zwischen den Bedarfen der Bürger und der Gemeinde bzw. dem Landkreis vermitteln. Und man kann noch weiter gehen: Im Rhein-Neckar-Kreis4 wird Mobilität als Kombination aus ÖPNV, privaten Bussen und Bürgerbussen, Taxen, Fahrgemeinschaften und Carsharing gedacht. Hier eröffnen sich Experimentierfelder, die nicht nur wegen des demografischen Wandels, sondern auch wegen ihrer Effizienz und klugen Strategie von Bedeutung sind. Der Bürger ist hier Kunde, Planer und Anbieter in einem. Der wichtige Punkt ist, dass diese Testfelder entstehen, in denen auch die sonst bestehende Regulierung angesichts der Notwendigkeiten im demografischen Wandel umgangen und durch neue Formen der sektorübergreifenden Zusammenarbeit sowie durch Partizipation der Bürger neue Lösungen gefunden werden können.
Interkommunale und ämterübergreifende Zusammenarbeit als Ressource
Der demografische Wandel kann auch Anstoß sein, um die interkommunale Zusammenarbeit voranzubringen. In vielen Bereichen, von der Feuerwehr über Schulen bishin zu Krankenhäusern können und müssen Ressourcen gemeinsam genutzt werden. Einige Landkreise versuchen hier, auch jenseits ihrer Grenzen Synergien zu finden. Ein Beispiel ist das regionale Entwicklungskonzept Odenwald, bei dem angrenzende Landkreise zusammenarbeiten, um die Folgen des demografischen Wandels gemeinsam zu meistern. Ohne die Bündelung von Ressourcen wird die flächendeckende Versorgung in Zukunft kaum möglich sein, aber auch in Gebieten, wo dies noch möglich wäre, bieten neue Konzepte finanzielle Vorteile.
Innerhalb der Landratsämter gibt es ebenfalls zahlreiche Hinweise, dass die Zusammenarbeit über die Fachbereiche oder Ämter hinweg noch Potenzial bietet. Es zeigt sich, dass in vielen Landkreisen durch die Erstellung von Bestandsaufnahmen erst deutlich wird, wo überall Leistungen angeboten werden, in welchem Umfang und für welche Zielgruppen. Ob es im kulturellen Bereich ist oder bei spezifischen Angeboten für Jugendliche oder Senioren: Angebote aufeinander abzustimmen und Lösungen für fehlende Angebote zu finden, kann als Anstoß aus dem demografischen Wandel gelten. Es zeigt sich immer wieder, dass man zu wenig von den Angeboten der anderen weiß und durch fehlende Kooperation Ressourcen ungenutzt bleiben.
Eine Demografiestrategie berührt Fragen der Identität
Nicht zuletzt bietet der demografische Wandel Anlass, sich gezielt einmal mehr mit der Frage auseinanderzusetzen, wie man das kommunale Miteinander und das Leben in Gemeinde und Landkreis gestalten will. Darauf verweisen die Ergebnisse aus der Demografiewerkstatt Kommunen: Dort nähern sich einige teilnehmende Landkreise (wie in der Ausgabe 3/2018 "Der Landkreis" beschrieben) dem Thema demografischer Wandel über Prozesse zur Jugendbeteiligung. Nur wenn ich weiß, was junge Menschen sich wünschen, kann ich die Gemeinde oder den Landkreis für die Zukunft demografiefest machen. Dass ich auch die älteren Menschen und ihre Bedarfe in den Blick nehmen muss, versteht sich von selbst. Aber die Infrastruktur und die Vision müssen auch mit jungen Leuten diskutiert werden. Es zeigt sich in der Demografiewerkstatt Kommunen, dass die Frage nach Maßnahmen zum demografischen Wandel die Gemeinden und Landkreise auch vor die Frage nach ihrer Identität führt. Gerade Kommunen, die eine glänzende Vergangenheit hatten und in den letzten Jahrzehnten einen massiven Bevölkerungsrückgang und einen wirtschaftlichen Einbruch zu verzeichnen haben, brauchen neue Leitbilder und Ideen, wie sie sich definieren wollen. Das geht selbstverständlich nicht ohne die Bürger, aber auch nicht ohne eine offene Verwaltung und den Einbezug der Wirtschaft und der sozialen Dienstleister.
Voraussetzungsreiche, aber lohnende Umsetzung
Die genannten Lösungen und Ansätze sind sicher nicht neu. Neu ist, dass durch den demografischen Wandel mangelnde Kooperation und fehlende Netzwerke als Desiderat sichtbar werden, d.h. Hausaufgaben, die zunächst zurückstanden, nun dringend erledigt werden müssen. Es gibt ausreichend Beispiele, dass eine stringente Politik und Verwaltung zu guten Lösungen führen – selbst in Kreisen und Gemeinden, wo der demografische Wandel zu einem drastischen Rückgang der Bevölkerung und einer starken Überalterung geführt hat. Es gibt zahlreiche Handreichungen und Instrumente, die helfen, demografiefest zu werden. Die kommunalen Programme, die sich indirekt oder explizit mit den Herausforderungen des demografischen Wandels beschäftigen (Soziale Stadt, Engagierte Stadt, SONG, Demografiewerkstatt Kommunen etc.) zeigen allerdings, dass die Gemeinden und Landkreise Unterstützung bei der Bewältigung dieser Aufgaben brauchen. Weniger, weil sie das Thema nicht beherrschen würden, sondern eher, weil sie eine Systematik brauchen und einen Treiber, der den Prozess immer wieder anregt, der im Alltag versanden würde. Dass der demografische Wandel eine Querschnittsaufgabe ist, macht das Thema nicht beliebter, denn die Arbeit über Ämter und Fachbereiche hinweg fällt oft noch schwer. Die Stelle eines Demografiebeauftragten, der beim Landrat angesiedelt ist, kann hier helfen – vor allem, wenn die entsprechende Person gut vernetzt ist. Berater und Moderatoren sind wichtige externe Unterstützer, die für Objektivität und Sachlichkeit sorgen und Organisationsentwicklung, Partizipationsprozesse, Workshops und Bestandsaufnahmen organisieren und umsetzen helfen.
1 Freiwilligensurvey 2014, verfügbar unter https://www.bmfsfj.de
2 Siehe Fußnote 1.
3 Vgl. das Thema im Zweiten Engagementbericht der Bundesregierung.
4 http://www.mobilitaet-im-kreis.de/aktuelles/
Dieser Beitrag erschien in der Fachzeitschrift "Der Landkreis" (Ausgabe 3/2018). Die Verfasserin Prof. Dr. Martina Wegner berät das Projekt Demografiewerkstatt Kommunen strategisch und war Mitglied der Sachverständigenkommission zum Zweiten Engagementbericht der Bundesregierung.
Die Demografiewerkstatt Kommunen: Werkzeuge für Handlungsfelder des demografischen Wandels
26.07.18 Prof. Dr. Martina Wegner, strategische Projektbetreuung der DWKIn dem ersten Beitrag dieser Serie zur Demografiewerkstatt Kommunen (DWK) wurden das Projekt und seine Rahmendaten vorgestellt (Ausgabe 2018-01), während in der zweiten Folge beschrieben wurde, welchen Ansatz Kommunen wählen und welche Erfahrungen sie machen, wenn sie das Thema Demografischer Wandel systematisch angehen (Ausgabe 2018-04). Die beschriebenen Erfahrungen gründen auf Einzelprojekten und Maßnahmen, die Instrumente beinhalten oder darstellen, die entweder in Anlehnung an bestehende Methoden an die Handlungsfelder des demografischen Wandels bzw. die jeweilige Situation vor Ort angepasst oder auch ganz neu entwickelt wurden.
Hintergrund und Bedeutung der Werkzeuge
Die oben genannten Instrumente werden im Rahmen des Projekts Demografiewerkstatt Kommunen als „Werkzeuge“ entwickelt und kommen in den sogenannten Werkzeugkoffer. Es ist ein Ziel des Projekts, möglichst viele dieser Werkzeuge zu identifizieren und sie den Kommunen der DWK, aber auch allen anderen Kommunen zur Verfügung zu stellen. Dieser Werkzeugkoffer stellt damit ein wichtiges Element für die Übertragung von Erfahrungen und Methoden im Bereich der demografischen Entwicklung dar.Um diese Werkzeuge besser zugänglich und anwendbar zu machen, werden sie von der wissenschaftlichen Begleitung des Projekts DWK systematisch aufbereitet und geordnet. Das heißt, die Werkzeuge werden Handlungsfeldern zugeordnet, sie werden verschlagwortet, aber auch hinsichtlich ihrer Eignung eingeschätzt und ggf. mit anderen Werkzeugen in einen Zusammenhang gesetzt. Die Beraterinnen und Berater, die die Kommunen vor Ort in ihrer Arbeit unterstützen (vgl. Ausgabe 2018-01) sind neben der wissenschaftlichen Begleitung wichtige Partner in der Ausgestaltung von bestehenden und der Entwicklung von neuen Instrumenten. Zum einen bringen sie ihre Methodenexpertise in die Bearbeitung von Themen in den einzelnen Handlungsfeldern der Kommunen ein, zum andern sind sie in der Lage neu entwickelte Instrumente als Moderatorinnen und Moderatoren zu testen und Erfahrungen vor dem Hintergrund ihrer Kompetenzen zu dokumentieren. Sie schreiben in vielen Fällen die Blaupause für die Werkzeuge, die dann von der wissenschaftlichen Begleitung für den Werkzeugkoffer aufbereitet wird.Die Werkzeuge werden nicht – wie in vielen anderen Projekten – erst am Ende des Projekts als Summa verfügbar gemacht, sondern stehen unmittelbar nach Beendigung eines Beratungsprozesses oder der Anwendung des Werkzeugs auf der Homepage der DWK zur Verfügung. So sind sie sofort für interessierte Kommunen anwendbar; sollten Fragen zu den Werkzeugen bestehen, können die betreffenden Personen auch kontaktiert werden.
Das Projektdesign als erstes Werkzeug
Wie bereits in Ausgabe 2018-01 berichtet, folgt das Projekt DWK einem stringenten Aufbau. Für Kommunen, die noch nicht genau wissen, wie sie das facettenreiche Querschnittsthema Demografischer Wandel insgesamt strukturieren sollen, bietet das viele Vorteile. Vor diesem Hintergrund hat sich auch der Landkreis Havelland dem Projekt als weiteres Mitglied angeschlossen: Die Finanzierung der Beratung durch das Bundesfamilienministerium war nicht entscheidend, vielmehr wollte man lernen, wie man das Thema „Demografischer Wandel“ in der Kommune strukturiert angehen kann. Im Rahmen der DWK wird hier zunächst ein Kommunalprofil erstellt, damit alle relevanten Zahlen und Einschätzungen aus unterschiedlichen Handlungsfeldern (und bei verschiedenen Akteuren erhoben) auf dem Tisch liegen und allen Entscheiderinnen und Entscheidern bekannt sind – und damit eine gemeinsame Ausgangsbasis bilden. Damit ist das Kommunalprofil ein erstes Werkzeug. Der Projekt-Kick-Off wäre hier auch zu nennen, allerdings soll dieser hier nicht im Detail beschrieben werden, da er anderen Kick-Off-Veranstaltungen ähnelt und auch in der DWK mit Blick auf die Teilnehmenden und das Setting immer wieder angepasst wird. Auch die einzelnen, sehr unterschiedlichen Zukunftswerkstätten, sollen hier nur kurz Erwähnung finden, da sie in der einen oder anderen Variante unter unterschiedlichen Überschriften in vielen Kommunen zu vielen Themen durchgeführt werden. Interessant als Werkzeug ist der Werkstattplan, der auf der Grundlage des Kommunalprofils erstellt wird und eine für die Laufzeit des Projekts geplante Maßnahmenübersicht darstellt. Auf Konferenzen wird nach der Präsentation des Projekts gerade auch dieser Werkstattplan häufig nachgefragt, da er in einem Prozess, an dem Akteurinnen und Akteure aus unterschiedlichen Bereichen beteiligt sind, Zeiten, Verantwortliche und Kooperationen klar benennt.Nicht zuletzt wird die Halbzeitbilanz, die sich im Rahmen des Projektdesigns neu entwickelt hat, ein Werkzeug darstellen, das eine Neuausrichtung oder Anpassung im Projekt und in den Prozessen vor Ort ermöglicht. Gleichzeitig soll diese Halbzeitbilanz helfen, die Erfolgsfaktoren für das bisher Erreichte zu identifizieren und diese ggf. neu auszurichten. Auch diese Halbzeitbilanz richtet sich in ihrem Design nach den individuellen Ansätzen vor Ort und wird nach ihrer Durchführung 2018 auf ihre Unterschiedlichkeit und ihre Wirksamkeit hin analysiert.
Typische Werkzeuge der DWK
Die Werkzeuge der DWK beziehen sich auf die unterschiedlichen Handlungsfelder der teilnehmenden Kommunen. Nachfolgend sollen einige Beispiele dargestellt werden, die sowohl die Bandbreite der Handlungsfelder als auch die Herangehensweise im Projekt darstellen. So ist zum Beispiel im Emsland das Thema Wohnen für Seniorinnen und Senioren von großer Bedeutung, da barrierefreie Wohnungen im Landkreis nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen. In diesem Zusammenhang wurde ein Leitfaden entwickelt, der die Gestaltung und Einrichtung von barrierefreiem Wohnraum zum Thema hat. Auf dieser Grundlage entstanden im Landkreis auch kommunale Wohnungen, die entsprechend ausgestattet sind.In den vergangenen Ausgaben wurde bereits berichtet, dass in den teilnehmenden Kommunen der DWK die Jugend ein wichtiger Gestaltungsfaktor ist: Wenn wir wissen, wo und wie junge Menschen leben wollen, wissen wir auch worauf wir unser kommunales Leben ausrichten müssen, um in Zukunft attraktiv für Bewohnerinnen und Bewohner zu sein. Lange Zeit wurde der demografische Wandel mit der Gestaltung der Lebensbedingungen von Seniorinnen und Senioren gleichgesetzt. In den letzten Jahren fand jedoch ein Paradigmenwechsel statt. Um den demografischen Wandel wirklich nachhaltig zu gestalten, bedarf es eines inter- sowie intragenerationalen Vorgehens. Dazu gehört auch, dass junge Menschen bedarfsgerechte Lebensverhältnisse vorfinden. Vor diesem Hintergrund ist Jugendbeteiligung nicht „nice to have“, sondern unabdingbare Grundlage einer realistischen Planung. Hierbei ist es jedoch wichtig, die Jugendlichen nicht nur als Expertinnen und Experten ihrer eigenen Umwelt wahr und ernst zu nehmen, sondern auch als Gestalterinnen und Gestalter dieser Umwelt. Zu eruieren, welche Fragen und Themen die Jugendlichen beschäftigen, kann ein erster und aktivierender Baustein kommunaler Jugendbeteiligung sein.In diesem Zusammenhang ist die methodisch-konzeptionelle Dokumentation eines Jugendbeteiligungsprozesses entstanden, der im Rahmen der „Demografiewerkstatt Kommunen“ in der Stadt Adorf durchgeführt wurde. Auch daraus entstand ein Werkzeug, das für alle Kommunen interessant sein kann, die Jugendliche aktivieren wollen, um Planungssicherheit im demografischen Wandel zu gewinnen.Eingangs wurde erklärt, dass nicht alle Werkzeuge der DWK neu erfunden werden müssen. Im Landkreis Düren hat man sich bereits vor Projektstart mit potenziell hilfreichen Instrumenten auseinandergesetzt und diese zusammengestellt. Gerne übernimmt die DWK diese Anregung und begleitet und verfolgt die individuelle Umsetzung von Maßnahmen.Entlang der fünf Handlungsfelder „Fachkräfte fördern, halten & gewinnen“, „Bildung ermöglichen & stärken“, „gesellschaftliche Teilhabe bewirken & festigen“, „Mobilität & (Nah-)Versorgung gewährleisten“ und „Leben & Wohnen gestalten“ wurden unterschiedliche Methoden, Projekte, Werkzeuge und Best Practices gesichtet und beschrieben. Der Werkzeugkatalog bietet damit allen, die an der Umsetzung konkreter Projekte interessiert sind, wertvolle Anregungen und Informationen. Damit ist er nicht nur von großem Wert für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommunaler Verwaltungen. Für den Landkreis Düren bedeutet dies eine Unterstützung der in ihm organisierten Städte und Gemeinden, aber er ist auch Quelle der Inspiration für andere Kommunen.Es zeigt sich, dass der Werkzeugkoffer der DWK sich mit Werkzeugen für ganz unterschiedliche Bereiche füllt. Zum einen geht es um die Aktivierung der Bevölkerung, aber auch um Vernetzungsmethoden durch Dialoge und Bürgerwerkstätten. Darüber hinaus werden konkrete Themen durch Werkzeuge unterstützt: So ist auch ein Leitfaden zur Umsetzung barrierefreien Wohnens Teil des Werkzeugkoffers. Die Instrumente finden sich auf der Homepage der DWK und werden laufend ergänzt. Im nächsten Beitrag werden Aspekte der wissenschaftlichen Begleitung der Demografiewerkstatt Kommunen beleuchtet.
Dieser Beitrag erschien in dem Online-Magazin PUBLICUS (Ausgabe 7/2018).
Die Demografiewerkstatt Kommunen: Kommunale Ansätze und erste Ergebnisse
25.04.18 Prof. Dr. Martina Wegner, strategische Projektbetreuung der DWKIn dem ersten Beitrag dieser Serie zur Demografiewerkstatt Kommunen (DWK) wurden das Projekt und seine Rahmendaten vorgestellt (Ausgabe 2018.1). In diesem zweiten Artikel soll dargestellt werden, welchen Ansatz Kommunen wählen und welche Erfahrungen sie machen, wenn sie das Thema Demografischer Wandel systematisch angehen.
Ohne Vernetzung und ohne gemeinsame Gremien geht es nicht
Ausgangspunkt für die praktische Umsetzung einer Demografiestrategie ist für die teilnehmenden Kommunen der sogenannte Werkstattplan, der auf Basis einer Bestandsaufnahme und verschiedenen Zukunftswerkstätten erarbeitet wurde. Es zeigte sich, dass bereits der Prozess der Bestandsaufnahme und der Organisation von Zukunftswerkstätten Veränderungen angestoßen hat und Entwicklungsbedarfe aufgezeigt hat. So haben einige der teilnehmenden Städte und Kommunen die Notwendigkeit eines gemeinsamen Arbeitsgremiums für das Thema Demografie erkannt. Im Regionalverband Saarbrücken hat sich daher eine fachbereichsübergreifende Arbeitsgruppe gebildet und auch in Riesa arbeiten Verwaltungsmitarbeiter/innen aus unterschiedlichen Bereichen und Funktionen daran, eine Demografiestrategie zu entwickeln und umzusetzen. Natürlich gibt es hier unter den Städten und Kommunen auch große Unterschiede: Manche haben schon vor einigen Jahren begonnen, sich dem Thema Demografie zu stellen und können auf ein Fundament von Maßnahmen oder auch auf Arbeitsgruppen aufsetzen. Es zeigt sich aber in jedem Fall, dass das Thema Demografie so facettenreich ist, dass es nicht von zum Beispiel einer Fachabteilung für Senior/innen allein abgedeckt werden kann. Der Einbezug junger Menschen, Engagement und Partizipation der Bürgerinnen und Bürger, Maßnahmen des Bauamts, aber auch Themen im Bereich Sport oder Kultur können bei der Demografiestrategie von Interesse sein – in Umfang und Intensität abhängig von den Schwerpunkten, die sich die Kommunen beim Start in die Demografiestrategie setzen. Gleichzeitig sind solche Querschnittsthemen auch aus genau diesem Grund sehr herausfordernd: Es gilt, innerhalb der jeweiligen Kommunalverwaltung abteilungs- und ämterübergreifend zusammenzuarbeiten, aber insbesondere in den Landkreisen müssen auch die einzelnen Städte und Gemeinden gemeinsam neue Wege gehen. Für die Abteilungen und Ämter ist es eine wichtige Aufgabe, die Bearbeitung der jeweiligen Demografiethemen aufeinander abzustimmen.
Beispiele für Demografiestrategien
Wenn Demografiearbeit im Landkreis Dithmarschen zum Beispiel bedeutet, Menschen mit Fluchthintergrund weiterzubilden, um dem Fachkräftemangel entgegen zu wirken, dann müssen auch Kita-Plätze, Wohnraum, Mobilität und Integration in das Gemeinwesen thematisiert und von den jeweiligen Stellen mitbedacht werden. In vielen Fällen funktioniert das schon gut, aber nicht bei allen Themen und nicht systematisch. Aber auch die Kooperation von Städten und Gemeinden in den Landkreisen ist wichtig. Besonders im ländlichen Raum, in dem in manchen Teilen Deutschlands die Bevölkerungszahl dramatisch zurückgeht, ist es wichtig, dass man Angebote miteinander verzahnt oder neue Ansätze findet.
Die kleine Stadt Adorf im sächsischen Vogtland ist vom demografischen Wandel stark betroffen, da die Einwohner/innenzahl in den letzten Jahren stark zurückgegangen ist, und auch die wirtschaftliche Entwicklung nicht auf Zuzug hoffen lässt. Durch die DWK hat die Stadt den Anstoß bekommen, diese Situation nicht passiv hinzunehmen, sondern sich der Herausforderung mit neuer Kraft zu stellen. Man macht sich im Rahmen der DWK zum einen Gedanken, wie man junge Menschen an die Stadt binden kann und organisiert einen Jugendbeteiligungsprozess, der zur Gründung eines dynamischen Vereins geführt hat. Dieser Verein (kleinstadtPerspektiven e.V) hat es sich zum Ziel gesetzt, die Lebensbedingungen in der Stadt zu verbessern, wobei der Schwerpunkt auf kulturellen und sozialen Aktivitäten liegt, die vor allem auch junge Menschen einbinden und die Stadt »lebendig« machen. Wenn man Demografie in erster Linie mit älteren Menschen assoziiert, erscheint das Phänomen, das sich auch anderen DWK-Standorten zeigt, zunächst paradox: Es finden Jugendbeteiligungsprozesse statt, weil junge Menschen die Lebensbedingungen ihrer Stadt mitgestalten sollen und müssen, um diese als für sie lebenswert wahrzunehmen. Das zweite Thema in Adorf ist die medizinische Versorgung, die im Rahmen der DWK angegangen werden soll. Die niedergelassenen Hausärzte werden in einigen Jahren in Rente gehen und eine Nachfolge ist nicht in Sicht. Man öffnet sich daher dem Thema Telemedizin und versucht, Projekte mit Kliniken und Universitäten anzubahnen.
Die Frage nach der Zukunft berührt die Frage nach der Identität
Doch betrifft die Frage nach der Zukunft auch die Identität der Stadt: Wenn ein wirtschaftlicher Aufschwung nicht zu erwarten ist, kann man dennoch ein attraktiver Wohn- und Rückzugsort für Menschen sein, die in der Region arbeiten oder von einem Standort unabhängig sind. Dann sind die Lebensbedingungen, die auch durch kulturelle Angebote, attraktiven Wohnraum und gesellschaftlichen Zusammenhalt geprägt werden, wichtige Faktoren, die in Adorf auch aktiv angegangen werden. So möchte sich Adorf als »Wohnstadt« mit hoher Lebensqualität positionieren.
Identitätsfindung ist ein weiteres Thema, das neben den Netzwerken und den Gremien von Bedeutung ist, wenn Themen des demografischen Wandels angegangen werden sollen. In den Landkreisen, in denen die Bevölkerung ausdünnt, kommt die Fußballmannschaft nur noch zustande, wenn die Vereine kooperieren und auch Feuerwehren müssen gegebenenfalls zusammengelegt werden. Das sind spürbare Einschnitte, die auch die Identität berühren. Wie kann man mit denen in der gleichen Mannschaft spielen, die traditionell die Gegner waren und ein Zusammenlegen der Feuerwehren stellt auch die Frage nach Dorffesten, die nun nicht mehr nur von der eigenen Feuerwehr unterstützt werden. Im Falle von Riesa ist diese Frage noch größer: Die zu DDR-Zeiten blühende Stahl-Stadt, die seit den 1980er Jahren von 52 000 auf ca. 31 000 Einwohnerinnen und Einwohner geschrumpft ist, muss Rückbaumaßnahmen durchführen, die schmerzhaft sind: Wenn die Grundschule im Viertel geschlossen wird, bedeutet das auch einen Verlust von Identität. Dennoch ist die Maßnahme aber unumgänglich, um Ressourcen bedarfsgerecht zu verlagern.
In der DWK-Stadt Grabow wird das Thema der Identität systematisch bearbeitet: Die alten Fachwerkhäuser wurden restauriert, das Stadtzentrum mit Ladengeschäften und Verwaltungseinheiten belebt, alte Bräuche und neue Feste gefeiert und nicht zuletzt Maßnahmen zum Einbezug der Bürgerinnen und Bürger angestoßen. Die Erfolge bleiben nicht aus: Die Bevölkerung wächst und ist mit ihrer Stadt hochzufrieden.
Wie hilft die DWK bei diesen Herausforderungen?
Ein wichtiger Baustein der DWK sind externe Beratung und Moderation, die die Entwicklung interner Steuerungsprozesse und eines strategischen Vorgehens unterstützen. Durch die Begleitung und die Anstöße der Beraterinnen und Berater stellt sich bereits nach kurzer Zeit Erfolg ein. Dabei ist es wichtig, dass die Beraterinnen und Berater die entsprechende Qualifikation und Erfahrung aufweisen und gleichzeitig mit den Verhältnissen vor Ort vertraut sind, d.h. in der Region leben bzw. arbeiten. Die Beraterinnen und Berater können (und sollen) das Projekt jedoch nicht allein durchführen: Um erfolgreich zu sein ist die aktive und gelegentlich (zeit)intensive Mitarbeit der kommunalen Verwaltungen erforderlich. Dafür werden dem Thema eigens zugeordnete Personalressourcen benötigt – in der DWK sind das oft Demografiebeauftragte, die hier steuern und koordinieren.
Um sich Inspiration zu holen, sind aber nicht nur die Beraterinnen und Berater wichtige Ansprechpartner, sondern auch die Vertreterinnen und Vertreter der anderen Kommunen. In diesem Zusammenhang werden im Rahmen der DWK Austauschtreffen organisiert, um sich kennenzulernen und von den Lösungsansätzen der Städte und Kommunen zu profitieren. Darüber hinaus werden auch Webinare angeboten, während derer die Vertreterinnen und Vertreter der DWK-Kommunen, aber auch Externe sich vom Schreibtisch aus über demografierelevante Themen wie Jugendbeteiligung, Bürgerschaftliches Engagement, Digitalisierung etc. informieren können.
Im nächsten Beitrag werden die einzelnen Instrumente, die in der Entwicklung oder Umsetzung der Demografiestrategie der Kommunen eingesetzt wurden, vorgestellt.
Dieser Beitrag erschien in dem Online-Magazin PUBLICUS (Ausgabe 4/2018).
Die Demografiewerkstatt Kommunen (DWK), ein Programm des Bundesfamilienministeriums (BMFSFJ)
31.01.18 Prof. Dr. Martina Wegner, strategische Projektbetreuung der DWKDie Bundesregierung befasst sich auf verschiedenen Ebenen mit dem Thema des demografischen Wandels. Diskussionen über konkrete Zahlen zu Auswirkungen und Konsequenzen aus unterschiedlichen Perspektiven bietet die um den Demografiegipfel erstellte Dokumentation. Um den demografischen Wandel auch in der Praxis zu thematisieren, startete das Bundesfamilienministerium im Januar 2016 das Projekt Demografiewerkstatt Kommunen in acht Kommunen und Landkreisen. Das Projekt sieht vor, dass exemplarisch Demografiestrategien entstehen sollen, die auf die jeweilige Situation vor Ort zugeschnitten sind.
Um einen guten Überblick über die Bedarfe in Kommunen und Landkreisen zu erhalten, hat das Bundesfamilienministerium in Zusammenarbeit mit den kommunalen Spitzenverbänden acht Kommunen und Landkreise aus den Bewerbungen ausgesucht, die sich nicht nur mit Blick auf ihre Größe, sondern auch unter wirtschaftlichen, geografischen und soziodemografischen Gesichtspunkten stark unterscheiden. Es geht neben neuen Projekten und Initiativen auch darum, neue Handlungsfelder zu erschließen und gleichzeitig die neuen sowie die bestehenden Maßnahmen und Projekte miteinander zu verzahnen. Hintergrund ist, dass das Thema Demografie ein Querschnittsthema ist und als solches in den Kommunen oft unverbunden bleibt; d.h., es gibt Parallelstrukturen oder auch weiße Flecken, die es zu schließen gilt. Es muss eine schlüssige Strategie entstehen, eine Systematik, in der die Projekte und Angebote vor Ort aufeinander bezogen werden. Somit geht es auch um Netzwerkauf- und ausbau und die Kooperation zwischen gesellschaftlichen Akteuren.
Schrittweise demografiefest werden
Jede Kommune/ jeder Landkreis erhält für die Laufzeit von fünf Jahren pro Jahr 30.000 Euro für Beratungsleistungen und weitere 10.000 Euro für erforderliche Sachmittel, d.h. zum Beispiel für Veranstaltungen oder Werbematerial. Zudem werden die Landkreise und Kommunen dadurch unterstützt, dass sie bei einem strukturierten Ansatz zur Strategieentwicklung begleitet werden.
Die DWK beginnt vor Ort mit einem Kick-off, zu dem relevante Akteure der Verwaltung eingeladen werden. Die wissenschaftliche Begleitung der DWK erstellt anhand von verfügbaren Studien und Statistiken sowie Befragungen vor Ort ein Kommunalprofil, das die jeweilige Situation vor Ort mit Blick auf den demografischen Wandel abbildet. Stärken und Schwächen, Chancen und Risiken werden dargestellt und in einem nächsten Treffen diskutiert.
Auf Basis dieses sehr konkreten Kommunalprofils wird ein Beteiligungsprozess angestoßen, der je nach Ausgangslage Bürgerinnen und Bürger, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kommunen, Multiplikatorinnen und Multiplikatoren und/ oder lokale Politik zu Zukunftswerkstätten einlädt. Die Ergebnisse dieser Zukunftswerkstätten werden ausgewertet und dienen als Grundlage für die Demografiestrategie, die in einem Werkstattplan festgehalten wird. Der Werkstattplan enthält die großen Linien der Ausrichtung, aber auch einzelne Projekte bis hin zu Umsetzungsplänen. So entsteht eine schlüssige Strategie, die im Laufe der Jahre immer wieder an die jeweils neue Situation angepasst bzw. auch durch neue Projekte ergänzt wird.
Durch diesen strukturierten und konkreten Ansatz wird deutlich, welche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung beteiligt sind, welche Zuordnungen es geben muss und er hilft auch beim Aufbau von Netzwerken mit externen Kooperationspartnern.
Die Vorteile des Projekts
Die DWK zeichnet sich dadurch aus, dass den Kommunen keine Lösung übergestülpt wird. Vielmehr hilft sie dabei, einen Bearbeitungsansatz für die jeweilige Situation zu entwickeln. Damit fördert das BMFSFJ das, was die Kommunen für sich als wichtig erachten, und unterscheidet sich von vielen anderen, die bestimmte Themen fördern. Auch wenn jede Region, jede Stadt und jede Gemeinde ihren eigenen Ansatz finden muss, sind die eingesetzten Instrumente und Methoden durchaus übertragbar. Diese werden von der wissenschaftlichen Begleitung „eingesammelt“, aufbereitet und über die Homepage der DWK zur Verfügung gestellt.
In Ergänzung dazu findet mindestens einmal im Jahr ein Austauschtreffen der Landkreise und Kommunen statt, das mit weiterem hilfreichem Input für die Kommunen verbunden ist. Die Geschäftsstelle und das Ministerium unterstützen bei der Auswahl von kompetenten und für die jeweilige Problemstellung geeigneten Beraterinnen und Beratern, helfen bei der Abwicklung und begleiten die Prozesse vor Ort, wodurch eine hohe Sichtbarkeit entsteht. Darüber hinaus bekommen die Kommunen Informationen über für sie interessante Veranstaltungen und Tagungen, bei denen auch die DWK vorgestellt wird. Zum Teil wird die DWK auch gemeinsam beworben, wodurch bereits in den ersten zwei Jahren ein hoher Bekanntheitsgrad des Projektes entstanden ist.
Beteiligte Kommunen und Akteure
Die folgenden Landkreise und Kommunen sind Mitglieder der DWK: Adorf/ Sachsen, Landkreis Dithmarschen, Landkreis Emsland und Gemeinde Vrees, Stadt Riesa (Sachsen), Regionalverband Saarbrücken, Stadt Dortmund (NRW), Kreis Düren, Stadt Grabow.
Organisationsdrehscheibe der DWK ist die Geschäftsstelle, die vom Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e. V. in Bielefeld wahrgenommen wird. Die wissenschaftliche Begleitung hat die Forschungsgesellschaft für Gerontologie e.V. (FfG) übernommen. Das Projekt wird gefördert von der Deutschen Fernsehlotterie.
Dieser Beitrag erschien in dem Online-Magazin PUBLICUS (Ausgabe 1/2018). Er ist der Auftakt zu einer kleinen Serie über die Demografiewerkstatt Kommunen.